Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
Seite, direkt unter den Nachtdienst leistenden Apotheken, folgenden Satz: »Unserem Land droht ein katastrophales Ende, wenn wir mit dem Wasser nicht sparsamer umgehen.«
Einige eifrige Leser entdeckten diese Notiz. Aber sie unternahmen nichts. Schließlich, wofür sollte es gut sein, selber Wasser zu sparen, wenn alle anderen es verschwendeten. Es gab zwar zwei Junggesellen, die einen Klempner anriefen, um tropfende Wasserhähne reparieren zu lassen, aber die Leitung war leider besetzt.
Im Jahr darauf wurde die Gefahr akut.
Das Wasserkommissariat stellte unwiderruflich fest, daß die Vorräte im Höchstfalle noch zehn Monate reichen würden, und verlangte sofortige Maßnahmen seitens der Regierung. Diese aber war ziemlich machtlos, denn alle Ermahnungen, Wasser zu sparen, wurden von der Bevölkerung schlichtweg ignoriert. Also beschlossen die zuständigen Regierungsstellen, die eigenen Warnungen ebenfalls zu ignorieren. Dies um so mehr, als sich das alles in einem Wahljahr abspielte und die Regierung wußte: in solchen Zeiten ist es ratsamer, von radikalen Steuersenkungen als von Wassersparmaßnahmen zu reden.
Dann war aber auch die Wahl vorbei, und eine landesweite Aufklärungskampagne wurde gestartet. Von allen Plakatwänden verkündeten Aufrufe, daß nur noch rigorose Wassersparmaßnahmen das Land vor dem unvermeidlichen Austrocknen bewahren könnten.
Es nützte so gut wie nichts. Die Bürger sagten: »Wir müssen uns waschen, oder? Wir müssen auch kochen und unsere Blumen gießen, nicht wahr? Unser Aquarium füllen, stimmt's?«
So wurde auf keinen einzigen Topfen verzichtet. Schlimmer noch, man trank nach jeder Kaffeepause auch noch einen Tee.
Zu Beginn des neuen Jahres reichten die Wasserreserven nur noch für einen Monat. Die Regierung bestellte im Ausland eine beträchtliche Anzahl neuer Wasserstandsmesser, und der Regierungschef rief persönlich über das Fernsehen auf: »Wenn wir unseren Wasserverbrauch nicht sofort und bedingungslos einschränken, werden wir alle verdursten!«
Die Bevölkerung aber war wegen des letzten Fußball-Ligaspiels in heiße Debatten verstrickt und brauchte eine Menge kalter Duschen, um sich abzukühlen. Auch die Fische gediehen weiter in ihren Aquarien. In der Stadtmitte barst die Hauptwasserleitung und 800 Millionen Kubikmeter des kostbaren Nasses versickerten im Kanal . . .
Als sich herausstellte, daß das Wasser nur mehr bis Donnerstag nachmittag reichen würde, ging die Regierung zu drastischen Maßnahmen über: sie erhöhte die Wassergebühren um 17,5 Prozent pro Kubikmeter. Aber die Öffentlichkeit war derartiges längst gewöhnt und zahlte ohne zu murren. Am Donnerstag nachmittag war dann das Wasser endgültig dahin, und wir alle verdursteten.
So ein Pech.
Kinnematographie
In diesen unsicheren Zeiten, wo Aktien steigen und fallen, Finanzminister kommen und gehen, ist Video so ziemlich das Einzige, worauf wir uns bedingungslos verlassen können.
Schließlich ist es zum ersten Mal in der Kulturgeschichte der Menschheit möglich geworden, daß sich ein Mann im Schoß seiner kleinen Familie ganz legal einen Pornofilm anschauen kann. Kein Wunder, daß sie sich wie die Karnickel vermehren. Die Sexfilme, nicht die Familien.
Die Sache funktioniert folgendermaßen: man kauft sich im Ausland einige Filmkassetten, liest sorgfältig den Vermerk, der das Kopieren der Videokassetten für illegal und strafbar erklärt, kopiert die Kassette und vermietet sie gegen Kaution, nicht ohne vorher auf der Hülle sorgfältig zu vermerken, daß es illegal ist, diese Kassette zu kopieren . . .
Und so gingen sie hin und vermehrten sich, bis sie über die ganze Erde verteilt waren. Die Kassetten ebenso wie die Video-Piraten.
Mein Nachbar Felix Selig hat bis zum heutigen Tag 183 sorgfältig ausgewählte Mietkassetten im Untergrund kopiert.
»Um Gottes willen, Felix«, sagte ich, »du wirst doch, so lange du lebst, keine Zeit haben, all diese Filme anzusehen.«
»Natürlich nicht«, gab Felix zu, »die meisten dieser Filme interessieren mich ja auch gar nicht. Aber ich habe nun mal eine Schwäche fürs Kopieren.«
Vermutlich, weil es illegal ist. Und so einfach. Man muß nur zwei Videogeräte miteinander verbinden, und schon bewältigen sie die ganze Kopierarbeit von selbst, während man ein Nickerchen machen oder ins Kino gehen kann.
Es sei denn, es ergibt sich eine besondere Gelegenheit. Vorigen Freitag zum Beispiel läutete plötzlich mein Telefon:
»Hör zu«, sagte Felix in
Weitere Kostenlose Bücher