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Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.

Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.

Titel: Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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endlich das Schweigen. »Ihr habt die ganze vergangene Stunde nichts anderes getan, als über Liz Taylors Doppelkinn zu quatschen. Ich möchte hiermit in aller Offenheit klarstellen, daß mich ihr Kinn nicht halb so sehr beunruhigt wie ihre dicken Beine.«
    »Das hat etwas für sich«, wandte sich die Puristengattin an mich. »Aber ihre Beine kann sie in Hosen verbergen. Ihr Kinn jedoch bleibt allen Blicken zugänglich.«
    »Nur im Profil.«
    »Trotzdem!«
    Irgend jemandem fiel ein, daß Debbie Reynolds, die vor Liz mit Eddie Fisher verbandelt war, auch nicht so großartige Beine hätte, aber jetzt trotzdem mit einem steinreichen Schuherzeuger mit auffallend jüdischer Nase zusammenlebt.
    Am Bildschirm war inzwischen eine imposante Vatergestalt erschienen, die uns aufrief, sich im Geiste der Demokratie und der nationalen Einheit in Reih' und Glied hinter die Regierung zu stellen. »Premier Shamir sollte sich endlich den Schnurrbart abrasieren«, bemerkte irgend jemand. Jetzt hatte auch der Schläfrigste unter uns mitbekommen, daß die Katze das heiße Blechdach inzwischen verlassen und das Videogerät automatisch auf die Abendnachrichten umgeschaltet hatte. Felix steckte die Original-Katze wieder in die Hülle zurück und schrieb auf seine jungfräuliche Untergrund-Kopie: »Doppelkinn by Tennessee Williams.«
    Dann standen wir alle auf, um zu gehen.
    »Ach ja, diese prächtigen, alten Filme«, seufzten wir, während wir uns verabschiedeten. »So etwas wird nie wieder gedreht werden.«
    Daheim angekommen, betrachtete ich mein Spiegelbild von der Seite. Ich faßte den Entschluß, meinen Kalorienverbrauch einzuschränken, denn mir war während dem unvergeßlichen kinnematographischen Abend eine illegale Wamme gewachsen. Zwar nur im Profil, aber trotzdem.

Fitneß

    Während die meisten Nationen die Regierung haben, die sie verdienen, wird ihr Nationalsport durch ihren Charakter geprägt. Das wilde Temperament der Spanier zum Beispiel brachte den Stierkampf hervor, während die gepflegten Rasen Englands nach Golf schreien. Unser Nationalsport, der alljährliche VierTage-Marsch, ist vermutlich in seinem Ursprung durch unseren bürokratischen Dauerlauf entstanden.
    Wir haben darin eine wahre Meisterschaft erlangt, denn die diesbezüglichen Erfahrungen reichen Generationen zurück. Unsere Existenz als Nation begann mit einem Vierzig-Jahre-Marsch durch die Wüste, und irgendwie gelang es uns seither immer, in Bewegung zu bleiben. Außerdem ist es heutzutage ›in‹, zu gehen, zu laufen, zu marschieren, zu joggen. Wie immer man es auch nennt, jeder tut es.
    Nur ich nicht.
    Natürlich schäme ich mich. Eigentlich bin ich von Haus aus ein Konformist, und ich fühle mich als Außenseiter, wenn ich daheim sitze, während alle anderen nach Jerusalem marschieren. Das ganze Land ist vom Vier-Tage-Marsch-Fieber gepackt. Die Leitartikel der Zeitungen lobpreisen das Unternehmen, der Rundfunk sendet Marschmusik, der Unterrichtsminister gibt seinen Segen, und die Orthopäden jauchzen vor Freude. Alle strotzen nur so vor Enthusiasmus.
    Nur ich nicht.
    Wenn meine sportlichen Freunde von ihren Vorbereitungen für den Vier-Tage-Marsch erzählen, senke ich meinen Blick und murmle irgend etwas von unaufschiebbaren Verpflichtungen und Plattfüßen. Die letzten Tage vor dem großen Ereignis verbringe ich prinzipiell in den eigenen vier Wänden, denn ich fürchte mich vor der Verachtung meiner Bekannten. Erst nach dem Marsch traue ich mich wieder aus dem Haus. Vor allem, weil ich sicher sein kann, in den nächsten zwei Wochen keinem Marschanhänger aus meinem Bekanntenkreis zu begegnen. Sie sitzen nämlich alle daheim, kurieren die Blasen an ihren geschwollenen Füßen und schwören, mindestens ein Jahr lang keinen Schritt mehr zu tun.
    Nur ich nicht.
    Ich brauche nämlich keinen Vier-Tage-Marsch. Ich befinde mich das ganze Jahr in Bewegung.
    Eigentlich bin ich von Natur aus kein ausgesprochener Bewegungsfetischist. Es gab einmal eine Zeit, da ging ich überhaupt nicht zu Fuß, sondern nahm den Autobus oder ein Taxi. Hie und da machte ich sogar Autostop. Offen gesagt, war ich damals eher pummelig, und lief Gefahr, das Gehen zu verlernen.
    Aber seit ich Besitzer eines eigenen Wagens bin, bewältige ich täglich ungeheure Entfernungen zu Fuß. Meine Beine sind muskulös und stark geworden und ich habe mich nie besser gefühlt.
    Das ist ganz einfach zu erklären: auf unserem Planeten gibt es keine Parkplätze mehr. Vor allem in Tel Aviv nicht. Hat

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