Abraham Lincoln - Vampirjäger
habe dich hierhergebracht, weil sie den Beweis dafür wünschen, dass du dessen, was wir uns von dir erhoffen, auch fähig bist; um selbst ein Urteil über dich zu fällen, bevor wir fortfahren.«
Und wie soll ich beurteilt werden? Etwa aufgrund der Geschicklichkeit, mit der ich ihnen den Kopf abschlage?
Da tönte die Stimme eines Mannes aus der Dunkelheit: »Ich bin mir sicher, wir finden eine angenehmere Methode als das, Mr. Lincoln.«
Ein paar vereinzelte Lacher hallten durch den Raum. Henry brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Es ist bereits getan«, sagte er. »Schon von dem Moment an, als du in diesen Raum getragen wurdest, sahen sie deine Vergangenheit und deinen Schmerz; blickten in deine Seele – genau wie ich. Wenn du als unwürdig erachtet worden wärst, wäre es dir nicht erlaubt gewesen, unter uns zu erwachen.«
»Uns?«, fragte Abe. »Ich war immer in dem Glauben, dass Vampire keine Bündnisse eingehen.«
»Es herrschen schlimme Zeiten. Unsere Feinde haben sich verbündet – also mussten wir es auch tun.«
Henry unterbrach sein Auf-und-ab-Gehen.
»Es wird Krieg geben, Abraham«, sagte er. »Es ist kein Krieg der Lebenden, aber die Menschen werden ihr Blut in diesem Kampf vergießen – denn es geht um ihr Recht auf Freiheit.«
»Ein Krieg wird kommen … «, fuhr er fort, »und du bist es, der ihn gewinnen muss.«
Es gab nichts anderes mehr – keine Vampire auf den Rängen, keinen Seward und kein silbernes Teeservice – , es gab nur noch Henry.
»Da sind diejenigen wie ich«, sagte er, »die beschlossen haben, im Verborgenen zu leben. Die an diesem letzten Rest von Menschlichkeit in sich festhalten. Wir begnügen uns damit, uns zu ernähren und vergessen zu werden. Wir verbringen unsere verfluchte Existenz vergleichsweise friedlich und töten nur, wenn unser Hunger unerträglich wird. Aber es gibt andere als uns … diejenigen, die sich selbst als Löwen unter Schafen sehen. Als Könige – den Menschen in allen Belangen überlegen. Warum also sollten sie sich mit einem Schattendasein zufriedengeben? Warum sollten sie die Menschen fürchten? Dieser Konflikt begann schon lange, bevor es Amerika gab. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen zwei Gruppen von Vampiren: denjenigen, die versuchen, mit den Menschen friedlich zu koexistieren, und jenen, die die ganze Menschheit in Ketten sehen möchten – gezüchtet, aufgezogen und eingepfercht wie Rinder.«
Scher uns nicht alle über einen Kamm, Abraham …
»Die letzten fünfzig Jahre über haben wir alles, was in unserer Macht stand, getan, um diesen Krieg zu verhindern. Alle Aufträge, die ich dir zukommen ließ – jeder einzelne zielte darauf ab, diejenigen zu vernichten, die ihn vorantreiben wollten, und deine Bemühungen – die Bemühungen von Seward und anderen – haben seinen Ausbruch tatsächlich verzögern können. Aber jetzt können wir nicht länger darauf hoffen, ihn zu verhindern. Tatsächlich haben wir vor nicht einmal vier Wochen die erste Schlacht hier in den Straßen von New York erlebt.«
Absonderliche Beobachtungen … unfassbare Geschehnisse …
»Unsere Feinde sind durchtrieben«, sagte Henry. »Sie haben ihren Vorteil zum Anliegen des Südens gemacht. Haben sich mit denjenigen Lebenden verbündet, die die Sklaverei genauso erbittert verteidigen wie sie. Aber diese Menschen sind getäuscht worden und treiben ihren eigenen Untergang voran, denn die Neger sind nur die ersten Menschen, die versklavt werden. Wenn wir verlieren, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis alle Lebenden – egal ob Mann, Frau oder Kind – in ganz Amerika nur mehr Sklaven sind.«
Abe spürte, dass ihm übel wurde.
» Das, alter Freund, ist der Grund, warum wir nicht verlieren dürfen. Das ist der Grund, warum auch wir uns verbündet haben. Wir sind Vampire, die an die Rechte der Menschen glauben«, sagte Henry. »Wir sind die Union … und wir haben Pläne mit dir, alter Freund.«
TEIL III
DIE PRÄSIDENTSCHAFT
ZEHN
EIN UNEINIGES HAUS
»Ein Haus, so es mit sich selbst uneins wird, kann’s nicht bestehen.« Ich glaube, diese Regierung wird nicht bestehen, wenn sie sich ständig je zur Hälfte aus Sklaven und aus Freien zusammensetzt. Ich rechne nicht damit, dass sich die Union auflösen wird – ich rechne nicht damit, dass sie zugrunde gehen wird – , aber ich rechne fest damit, dass sie nicht länger gespalten sein wird. Sie wird sich ganz für die eine Sache entscheiden oder ganz für die andere.
Abraham
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