Abraxmata
scharf sehen konnten, kehrten beide um und kamen wieder aufeinander zu.
Schon von weitem schrie Hevea Chamor zu: »Und, hast du etwas gefunden?«
So etwas wie Verzweiflung und Trauer schien in ihrer Stimme zu liegen und verriet Chamor sofort, dass auch sie nichts gefunden hatte. Die Erde war glatt wie ein Aal gewesen, nicht die kleinste Unebenheit und schon gar keine anderen Gegenstände, nur der verwunschene dicke rote Schlamm. Erst als Chamor Hevea fast erreicht hatte und ihre großen blauen Augen wieder sehr deutlich erkennen konnte, gab er ihr eine Antwort auf die zuvor gestellte Frage. »Nein, tut mir Leid.«
Der ganze Eifer, der Mut und das Feuer, das bisher noch in Heveas Gesicht gelodert hatte, schien nun erloschen zu sein. Erst als Chamor nach langem Schweigen begann, mit seinen Händen über die schwarze Wand zu gleiten, kehrte ihr Tatendrang zurück. Chamors Augen waren starr und entschlossen, während er damit Zentimeter für Zentimeter die glatte Wand absuchte.
»Glaubst du, an einer Unebenheit ein Stück aus dem Fels herausbrechen zu können«, fragte Hevea mit einem Aufblitzen in den Augen.
Chamor antwortete nicht. Die Wahrheit würde Hevea nicht gefallen, denn die Wahrscheinlichkeit, aus dieser glatten Wand etwas herausbrechen zu können, war nahezu null. Außerdem hatte Chamor Angst. Angst davor, mit einer Beschädigung der Mauer etwas zu wecken, etwas aufzuschrecken, etwas zu verärgern, das sie alle in Gefahr bringen könnte, noch mehr als sie es ohnehin schon waren, unermesslich mehr. Trotzdem fuhr er in seiner Suche fort. Er drückte seine große Hand mit der Handinnenfläche fest gegen den Fels. Es waren mit Sicherheit viele Minuten vergangen, unendlich lange Minuten, wie es Hevea schien, als Chamor seine Hand ruckartig zurückzog. Hevea flatterte ein bisschen höher, denn mit seinem wuchtigen Körper versperrte er ihr die Sicht auf das, was er ausfindig gemacht hatte.
Mit seinen verhältnismäßig starken Fingern tat er sich sehr schwer, unter die scharfkantige Erhebung im Fels zu fahren. Es gelang ihm schließlich, mit den jeweils zwei kleineren seiner vier Finger unter den Vorsprung zu gelangen. Er kniff die Augen zusammen, als er seine Finger mit aller Kraft nach außen schob, mit den anderen Fingern am Fels gegendrückend. Hevea, die über ihn geflogen war, erkannte seine Angst. Sie wusste plötzlich, dass er seine Augen nicht vor Anstrengung geschlossen hatte, sondern aus Furcht vor dem, was folgen würde, denn eben diese Furcht war es, die Hevea, als sie begriff, auch zu erfassen drohte. Chamor fiel zurück auf den Rücken, den kleinen Splitter, den er gelöst hatte, fest an den Körper gedrückt und gleichzeitig bereit, ihn jederzeit von sich zu werfen, wenn Etwas es von ihm verlangen würde. Hevea konnte sein kurzes, heftiges Atmen hören und seinen Blick sehen, der angsterfüllt nach oben zum Himmel schweifte, als warte er auf einen Blitz, der ihn für immer auslöschen würde. Es waren wohl einige Minuten höchster Anspannung, die sie durchlitten und die ihnen gleichzeitig wie viele Stunden vorkamen, vergangen. Nichts geschah. Als sie sich erhoben, um zurück zu den Tellerbäumen zu gehen, verspürten sie jedoch keine große Erleichterung, denn es war eben dieses Nichts, das ihnen Sorgen bereitete.
Die Sonne begann sich leise zurückzuziehen, als sie den Fluss wieder erreicht hatten. Sie waren bereit, bereit die ganze Nacht zu arbeiten, um zu helfen. Gestärkt durch einige Schlucke des roten Wassers machten sie sich an die Aufgabe. Hevea hatte große Bedenken gehabt, als sie von dem Wasser trank, doch Chamor, der dies schon öfter getan hatte, schaffte es schließlich, sie zu überzeugen, einen Schluck zu nehmen. Die erste Benetzung ihrer Lippen erfüllte sie mit neuer Kraft, sodass sie sich gierig weitere belebende Frische in den Mund schaufelte. Mit ihrem Splitter hatten sie nun die Chance, die Äste der Bäume so weit oben wie nur möglich abzutrennen, um die erforderliche Länge so bald als möglich zu erreichen. Hevea war damit beschäftigt, Äste ausfindig zu machen, die stabil und kräftig aussahen und gleichzeitig nicht irgendwo im Boden verschwanden, denn sie wollte es nicht riskieren, etwas aus der seltsamen Erde herauszureißen. Chamor tauchte einstweilen im Wasser des Flusses und suchte nach Algen. Sie sollten ein bisschen abtrocknen, während die ersten zwei Hölzer gefällt würden, um sie dann als klebrigen Kitt verwenden zu können.
Hevea schwebte dicht hinter
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