Abraxmata
Chamor, als er, den Arm nach oben gestreckt und die Felsklinge in den Händen, zu sägen begann. Obwohl der Felssplitter sehr scharf war, dauerte es relativ lange, bis eine erste deutliche Rille im Holz zu sehen war. Chamor ritzte den Ast sorgfältig ringsherum an, bevor er die Schnitte an allen Stellen weiter vertiefte. Das Holz im Inneren des Baumes war pechschwarz, jedenfalls ließ die Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht keinen anderen Eindruck zu. Es war nur noch der Kern mit einem Durchmesser von wenigen Zentimetern, der den Ast noch am Baum hielt. Chamor schenkte Hevea ein flüchtiges Lächeln, das sie erwiderte, und umgriff dann mit seinen kräftigen Händen den Ast. Er drehte ihn immer weiter in eine Richtung ein. Der Baum gab dabei ein lautes Knirschen von sich, bevor ein zerplatzendes Geräusch zu hören war. Eine pechschwarze Flüssigkeit strömte aus dem Inneren des Astes unaufhaltsam heraus. Erschrocken wichen Chamor und Hevea zurück. Chamors Hände und Arme waren bereits mit der Schwärze übergossen worden und fühlten sich nun zunehmend taub und hart an, bis Chamor seine Arme schließlich überhaupt nicht mehr bewegen konnte. Der Schrei, der sich in seinem Inneren zusammengebraut hatte, wurde in seiner Kehle erstickt. Der Baum blutete und sein Blut floss nun als schwarzer Strom über die rote Erde, und unaufhaltsam auf Chamor zu. Er lief in Richtung Wasser, konnte aber seine Orientierung nicht aufrechterhalten. Das Tal verschwamm zunehmend vor seinen Augen, bis es ganz verschwunden war. Wie ein kalter Schock lief etwas über seine Füße, das ihn festhielt, ihn nicht mehr weiterlaufen ließ und unaufhaltsam an ihm hochzukriechen schien. Ihm wurde schwindlig, als ihn ein Wirbel erfasste, der ihn abwechselnd durch ein schummriges Licht und vollkommene Dunkelheit schleuderte, bis die Lichtblitze verschwanden. Alles um ihn herum war schwarz, wie eine sternlose Nacht. Er hörte noch einen leisen Schrei, der seinen Namen rief, dann war alles still.
Kapitel 3
Zygan
»Famora, ist alles in Ordnung mit dir?«, ertönte eine verzerrte Stimme. Als keine Antwort kam, stützte sich Abraxmata mit seiner Vorderhand vorsichtig in der kleinen Mulde ab, um das Ende der Erdwand erblicken zu können, wo sich Famora befand. Er konnte nichts erkennen, sie war verschwunden. Der Himmel verdunkelte sich langsam. Famoras Verschwinden trug nicht gerade zur Verbesserung von Abraxmatas Zustand bei. Sein Hunger, der immer unerträglicher werdende Durst, seine Verletzung und besonders die Gefühle der Schuld an der ganzen Situation drohten ihn innerlich aufzufressen. Obwohl er wusste, dass er im Moment niemandem helfen konnte, schaffte er es nicht, zumindest für einige Augenblicke seinen Gedanken zu entfliehen und ein paar Stunden Schlaf zu finden. Nach einiger Zeit richtete er sich unter großen Schmerzen auf, um besser nach oben sehen zu können. Schwindelgefühle überkamen ihn, als er mit den Augen die steile Wand über sich absuchte, um seine Freundin vielleicht doch noch irgendwo erkennen zu können.
Die Nacht hatte den dunklen Fels und die Erde darüber schon fast in ihren Besitz genommen und ließ ihre Konturen kaum noch erkennen. Weit auf der rechten Seite glaubte Abraxmata eine Wölbung in der Erde zu erkennen, aber für einen Erdkobold war diese Erhebung eindeutig zu groß. Trotzdem rief er, entgegen seines Verstandes, Famoras Namen laut in die Dunkelheit hinaus. Erschöpft brach er daraufhin in seiner Mulde zusammen. Eine Antwort auf sein Rufen hatte er nicht erwartet, und er bekam auch keine. Die folgende Nacht wurde die unerträglichste in seinem Leben. Trotz der großen Müdigkeit schloss er nicht seine müden Augen, sondern blickte Stunde um Stunde, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, in die Schwärze der Nacht hinaus. Die Kälte umschloss ihn und zerrte an seinen letzten Kräften. Manchmal wünschte er sich, einfach ohnmächtig zu werden, um von allem nichts mitzubekommen. Aber das Schlimmste waren die Gedanken, die Gedanken um seine Freunde und um den Schatz des Mondschattenwaldes, für den er in diesem Augenblick nichts tun konnte.
Schreckliche Bilder – von Famora, die abgestürzt war, von Hevea, die im Rot des Flusses ertrank, von einem Mondschattenwald, der trostlos und brach wie das dunkle Tal vor ihm lag – kreisten in seinem Kopf und türmten sich zu einem gewaltigen Wirbelsturm auf, der immer schneller wehte, bis Abraxmata schließlich aufsprang. »Neeeiiin!«, brüllte er in die Nacht
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