Abraxmata
mit neuer Kraft. Mittlerweile war der dunkle See schon so überschaubar, dass es möglich gewesen wäre, sich an einen Ast der Heucherelle zu klammern und die Flüssigkeit zu überspringen.
Famora stand mit den Händen voller Wasser vor dem starr stehenden Abraxmata, als wüsste sie, dass er ihr etwas sagen wollte.
»Du musst jetzt sehr vorsichtig sein. Schütte lieber ein paar Tropfen daneben, bevor du den Baum triffst.«
Famora nickte. Sie wusste nicht weshalb, aber Abraxmata sah schlecht aus, sehr schlecht. Er wirkte kraftlos und abgekämpft, obwohl er die ganze Nacht nur da gestanden hatte. Vielleicht war es auch gerade diese Tatsache, dass er nicht geschlafen hatte und nun zum Umfallen müde war, genau wie Famora selbst. Allerdings wurde sie das Gefühl nicht los, dass er ununterbrochen die ganze Nacht gegen die dunkle Macht, auf deren geschaffenem Gebiet er sich vermutlich befand, gekämpft hatte. Dieser Widerstand schien ihn unvorstellbare Kraft zu kosten, viel mehr als Müdigkeit, Hunger und seine Wunde, die noch immer nicht vollständig verheilt war, zusammen.
Als um die Heucherelle nur noch ein wenige Zentimeter breiter Rand zu sehen war, bewegte sich Abraxmata endlich von seinem Posten weg. Famora, die bereits die nächste Hand voll Wasser geholt hatte, sah ihn fragend an.
»Ich weiß es nicht«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen, an der Famora etwas über seinen Gemütszustand hätte ablesen können.
»Meinst du nicht, dass wir es wenigstens versuchen sollten?«, fragte sie, während das Wasser zwischen ihren Fingern mehr und mehr hindurchtropfte.
»Ja, versuche es. Aber setze auf jeden Fall alles daran, dich so schnell wie möglich von dem Teufelsgewächs zu entfernen«, antwortete Abraxmata.
Famora stand noch eine Weile neben ihm, einen dicken Hauch von Angst über das Gesicht gelegt. Sie stieß einen harten Luftstoß aus und ging auf die Heucherelle zu. Zur Seite gebückt, die Füße fast schon in die Richtung gedreht, in die sie weglaufen wollte, holte sie aus und warf die wenigen Tropfen, die noch in ihren Händen geblieben waren, gegen den Stamm der Pflanze. Dann lief sie, ohne sich umzudrehen, bis zu Abraxmata, der selbst noch einige Schritte zurückgewichen war.
Abraxmata hatte die Heucherelle die ganze Zeit scharf im Auge behalten, besonders an der Stelle, an der sich mehrere Äste zu einem dicken Knuppel aufgerollt hatten. Nichts hatte sich gerührt. Als sein Blick zu Boden glitt, bemerkte er, dass der schwarze Ring nun an einer Stelle unterbrochen war.
»Wir versuchen es noch einmal, diesmal mit geballter Kraft.« Und mit diesen Worten ging er in Richtung des roten Flusses.
»Abraxmata!«, schrie ihm Famora nach und rannte ihm hinterher. »Du solltest das nicht tun.«
»Vielleicht ist gerade das notwendig«, antwortete er.
Dann kniff er seine blauen Augen zu, drehte den Kopf noch zusätzlich vom Wasser weg und schöpfte mit seiner Hand so viel Wasser wie möglich.
Noch mit geschlossenen Augen stand er auf und vermied es, nachdem er die Augen wieder einen Spalt breit geöffnet hatte, um den Weg zu finden, auf den Wasserspiegel in seiner Hand zu sehen. Famora überlegte nicht lange, beugte sich in das Flussbett und schöpfte. Sie holte Abraxmata auf seinem Weg zur Heucherelle etwa in der Mitte ein. Ohne viele Worte zu wechseln stellten sie sich einander gegenüber, den Baum wie einen Gefangenen in der Mitte.
»Fertig?«, fragte Abraxmata, und als Famora nickte, sah er sie mit großen Augen an, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und gab ihr dann durch ein Kopfnicken das Zeichen.
Von zwei Seiten platschte nun eine kleine Wasserfontäne gegen den dunklen Stamm. Schon beim Weglaufen hörten Abraxmata und Famora ein lautes Zischen und daraufhin ein Krachen. Als sie sich umgedreht hatten, konnten sie von der Heucherelle nichts mehr erkennen. Sie war vollkommen in einen weißen Nebel gehüllt, der sich im Kreis um sie herum bewegte und immer schneller wurde. Abraxmatas Blick war von dem weißen Dampf ganz gefesselt, bis ihn Famora am Arm zupfte, um seinen Blick nach unten zu lenken. Aus dem Weiß trat eine schwarze, dampfende Flüssigkeit hervor, die erneut und unaufhaltsam einen schwarzen See um die Heucherelle bildete.
»Sie ist verletzt«, sagte Abraxmata, und er wirkte bei diesen Worten so abwesend wie in einem Traum. Den Blick immer noch starr auf den Nebel gerichtet, sagte er: »Sie werden fallen.« Und dann ging er wie ein Schlafwandler auf die schwarze Flüssigkeit und den
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