Abraxmata
… ja, vielleicht ist das hier meine nächste Lektion.« Und er wedelte mit dem kaputten Heinekinblatt in der Luft.
»Was soll denn daran eine Aufgabe sein?«, fragte Murus. »Vertraue niemandem«, wiederholte er den Text der Nachricht.
»Du hast Recht, es ergibt eigentlich keinen Sinn, aber das wäre nicht das erste Mal. Irgendjemand muss es ja geschrieben haben. Vielleicht soll ich gerade das herausbekommen.«
»Und was soll das bringen?«, warf Murus mit finsterem Blick ein.
»Das weiß ich selbst nicht so genau. Es wäre sicherlich von Vorteil, Nachrichten des Feindes zu erkennen, aber ob er diese als Nachrichten auf zerfetzten Heinekinblättern sendet, wage ich zu bezweifeln«, fuhr Abraxmata fort. »›Hörst du‹, das klingt mir irgendwie so im Ohr. ›Hör mir zu‹, ja, irgendwie kommt mir das bekannt vor.«
»Zygan!«, rief Murus und sprang auf. »Ich höre noch ganz deutlich seine Stimme, so unwirklich aus der Dunkelheit. ›Murus, hör mir zu …‹« Murus hielt sich schmerzverzerrt die Ohren zu und fiel zu Boden.
»Zygan? Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Andererseits ist die Nachricht ja durchaus positiv zu verstehen. Aber sie verunsichert auch, ich kann mir nicht vorstellen, dass Zygan mich so verunsichern würde. Er hätte mich aufgesucht, wenn er mir etwas zu sagen gehabt hätte«, überlegte Abraxmata weiter. Er ignorierte den Zwischenfall mit Murus bewusst.
Natürlich wusste er, welche schrecklichen Erfahrungen in ihm wieder hochgekommen waren, doch er hielt es für das Beste, nicht mehr darüber zu reden, solange Murus das nicht von selbst tat.
Dieser hatte sich auch sofort wieder gefangen, stand auf, als ob nichts gewesen wäre und setzte sich neben Abraxmata. »Woher willst du überhaupt wissen, dass diese Nachricht für dich bestimmt war? Vielleicht ist sie auch schon uralt, das Blatt bzw. der Teil davon kommt mir irgendwie seltsam vor. Und wer oder was ist Uraeus?«
Abraxmata antwortete nicht auf die Fragen seines Freundes, weil er keine Antwort hatte. Obwohl sich Abraxmata nicht sicher war, ob es der richtige Weg war, beschloss er, es herauszufinden. Vielleicht brachte es ihn in dem Rätsel um seinen vermeintlichen Gegner ein kleines Stückchen weiter. Solange Murus bei ihm war, war die Angst vor dem Ungewissen, die Angst zu versagen, die er so oft verspürte, wenn er alleine war, nicht so stark, sondern wurde erträglich. Er fühlte sich nicht alleine. »Es gibt nur einen Weg herauszufinden, ob Zygan etwas mit dem Wisch hier zu tun hat. Morgen werden wir ihm einen Besuch abstatten«, erklärte Abraxmata.
»Morgen? Du glaubst doch nicht wirklich, dass du das in einem Tag schaffst. Das würde sogar für mich knapp werden.« Murus sah ihn fragend an. In seinem Gesicht leuchteten die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages.
»Du wirst schon sehen«, lächelte Abraxmata geheimnisvoll.
Die beiden saßen noch beisammen, bis eine sternenklare Nacht heraufzog.
»Ich war ziemlich sauer. Du hast wie hirnverbrannt nur in diesen Baum hochgestiert und die anderen mussten mit Sicherheit schon auf uns warten«, begann Murus plötzlich zu reden. Abraxmata sah ihn verwundert an. Ein kurzer Moment der Stille trat ein, bevor Murus fortfuhr. Er erzählte Abraxmata alles, angefangen von Impalas Verrat, über die Landorvanen, die Gefahr für Abraxmata und die Entstehung des dunklen Tals.
An dieser Stelle machte Abraxmata einen kurzen Einwurf. Er war sehr überrascht. »Das dunkle Tal ist also wegen dir entstanden?«
»Wenn du es so sehen willst, ja«, antwortete Murus. »Deshalb wäre ich mir auch nicht so sicher, ob es morgen noch da ist. Und deshalb finde ich es auch höchst verwunderlich, dass Zygan dort seine Höhle hat. Er kann erst seit kurzem dort wohnen. Die Frage ist, wo hat er vorher gewohnt? Mir kommt er überhaupt sehr suspekt vor.« Als kein Kommentar von Abraxmata zur Sache Zygan kam, fuhr Murus mit seiner Erzählung fort.
Mittlerweile war es tiefe Nacht geworden. Ein Jetto hatte die abendliche Gesprächsrunde bemerkt und erhellte den Aufenthaltsort der Freunde mit einem angenehmen rötlichen Licht. Jettos sind kleine Flügelwesen, ähnlich den Begumen. Wenn sie an einem Ort in der Luft stehen, wird die Energie, die ihr Flügelschlagen erzeugt, in Form von Licht abgegeben. Ansonsten sind sie eher unauffällige, durchsichtige Geschöpfe, die die Tage zwischen den mächtigen Lamellen des blauen Mondschattenpilzes verbringen.
Murus war mit seinen Erzählungen bei Kismet und
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