Abraxmata
viert in Abraxmatas Höhle, als die ersten weiß glitzernden Schneeflocken aus dem grauen Winterhimmel fielen. Murus war zwar bei ihnen, aber er schien so abwesend, als wäre er gar nicht da. Noch immer wussten sie nicht genau, wie und warum er damals verschwunden war. Nicht einmal Askan konnte etwas aus ihm herauslocken. Famoras Tod hatte all seine Freude, ihnen von Kismet, Tosjea, Toska und den anderen zu erzählen, getrübt. Er fühlte sich schuldig.
Hätte er nicht zuerst geschlafen und dann auch noch seiner Neugierde nachgegeben, Zygans Höhle anzuschauen, obwohl er genau wusste, dass seine Freunde in Gefahr waren, wäre Famora jetzt vielleicht noch am Leben. Abraxmata und die anderen hatten ihm hundertmal erklärt, dass ihn keinerlei Schuld traf und dass er nichts für Famora hätte tun können, sogar Askan bestätigte ihm das. Im Gegenteil, die anderen fanden, dass er ein Held sei, weil er Schlimmeres, nämlich, dass wertvolle Informationen in die falschen Hände gerieten, verhindert hatte. Trotzdem war da dieses tiefe innerliche Brennen, das ihn nicht mehr loslassen wollte und das alles sinnlos erscheinen ließ.
Chamor und Hevea freuten sich über den ersten Schnee und auch Abraxmata entlockten die lustig tanzenden Flocken ein mildes Lächeln. Erinnerungen an den letzten unbeschwerten Winter kamen in ihm hoch, an die vielen aufregenden Spiele und harmlosen Abenteuer, die er zusammen mit seinen Freunden erlebt hatte. Für Chamor gab es nun kein Halten mehr. Er stürmte hinaus, um über den weiß gezuckerten Waldboden zu laufen und in den Winterhimmel zu schauen. Hevea folgte ihm.
»Willst du nicht auch mitkommen, Murus?«, fragte Abraxmata. Murus sah ihn nicht an. Er konnte es nicht ertragen, in Abraxmatas blaue Augen zu sehen. In die gleichen Augen, in die er so freudig geblickt hatte, als Famora nur wenige Meter neben ihnen starb. »Jetzt hör mir mal zu. Du hilfst niemandem mit deinem Benehmen, nicht einmal dir selbst. Zum allerletzten Mal, den Vanitonus – so nennt man den Gedächtniszauber der Landorvanen – kann niemand verhindern. Wie oft soll man dir das eigentlich noch erklären? Ich könnte genauso in der Melancholie versinken, denn ich hätte auch da sein können, um ihr zu helfen. Ich habe sogar gewusst, dass sie da waren und ich habe sie und Hevea allein gelassen, um nach den Landorvanen zu suchen. Und trotzdem blicke ich nach vorne, weil uns gar nichts anderes übrig bleibt, wenn wir nicht alles verlieren wollen. Und gerade jetzt brauche ich dich, Murus, weil ich dir bedingungslos vertrauen kann. Du warst immer für mich da und ich hoffe, dass du es auch in Zukunft sein wirst.«
Seit Wochen sah Murus Abraxmata zum ersten Mal wieder direkt an. Für Abraxmata war es wie eine Erlösung, und er merkte, dass nicht nur er so empfand. Die beiden lächelten sich an, das Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen, dann lachten sie schallend auf und hetzten hintereinander her, den Geheimgang hinunter und hinaus in den Schnee.
Uraeus
Es war ein herrlicher Tag. Der Winter hatte den Mondschattenwald ganz tief in seinen weißen Mantel gehüllt. Die Schneekristalle glitzerten wie Diamanten von den Bäumen.
Askan hatte schon seit einigen Tagen nichts mehr von sich hören lassen und so genoss Abraxmata relativ unbeschwert seine freie Zeit. Zusammen mit Chamor saß er im Schnee. Wie die Wilden schaufelten die beiden die weiße, kalte Pracht um, anscheinend auf der Suche nach etwas.
»Ich hab einen!«, rief Chamor stolz mit einem Lachen auf den Lippen und hielt einen länglichen lila Stab, der nach unten hin immer schmäler zulief, nach oben.
»Wie viele sind es?«, fragte Abraxmata.
»Drei. Beeilt euch, ihr habt nicht mehr viel Zeit«, schallte Murus’ Stimme von einem der schneebedeckten Bäume.
»Noch zwei, das schaffen wir ja nie«, stöhnte Abraxmata.
»Meckere nicht, sondern suche! Oder willst du, dass Murus schon wieder gegen uns beide gewinnt«, entgegnete Chamor, ohne aufzublicken, weiter den Schnee durchwühlend.
Auf einmal machte es »Blong!«, kurz darauf ertönte ein zweites ploppendes Geräusch und zwei runde lila Schirmchen schnellten aus dem Schnee.
Murus flog mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht vom Baum. »Schon wieder gewonnen«, triumphierte er. »Aber ihr bekommt noch eine Revanche.«
Chamor warf Abraxmata einen leicht genervten Blick zu. Im Isegrimm suchen war Murus einfach spitze, da hatten ein Monolito und ein Azillo einfach keine Chance.
»Ein letztes Mal noch«, sagte
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