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Abschaffel

Titel: Abschaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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sie, was denn, was denn, sagen Sie mir doch mal, was ich rausschmeißen soll, sagte Frau Schönböck. Das machen wir jetzt, sagte Abschaffel, ich sage Ihnen, was Sie rausschmeißen können. Ja, rief Frau Schönböck freudig.
    Sie fuhren rasch zu ihrer Wohnung, und ihr Gespräch über Wohnungsfragen war so perfekt, daß sie gar nicht mehr überlegen mußten. Sie fuhren durch die Stadt, es bewegte sich fast nichts mehr in den Straßen, sie fuhren über riesige, hell erleuchtete Kreuzungen fast ohne Verkehr, überall die Leergeräumtheit der Nacht. Frau Schönböck sprach ihren Wagen mehrfach mit STRUPPI an, was Abschaffel wieder verstörte und stumm machte. NA, STRUPPI, SCHAFFST DU DAS NOCH, sagte sie, wenn sie bei Gelb über eine Kreuzung fuhren. Abgeschlagen saß er neben diesen Bemerkungen, er konnte in diese Sätze nicht hinein. Sie waren bei ihrer Wohnung angelangt, und Frau Schönböck sagte: MACH MIR KEINE SCHANDE, STRUPPI, UND WERDE NICHT GEKLAUT. Sie lachte dazu, und für mehrere Augenblicke, als sie die Haustür öffnete, bereute Abschaffel alles, was geschehen war und geschehen würde. Er bestand nur noch aus Reue, und seine Reaktionen wurden dadurch sehr sanft. Wenn die wüßte, auf welch eine elende Weise ich zu meiner Zärtlichkeit komme! dachte er. Denn er war sicher, daß er zu Frau Schönböck sehr zärtlich sein würde. In der Wohnung machte sie ihm ein Zeichen, leise zu sein wegen des schlafenden Kindes. Sie gingen durch den Flur in die Küche, wo Abschaffel den Tisch und den Stuhl vor mehreren Stunden abgestellt hatte. Ja, sagte er, jetzt muß ich Ihr Wohnzimmer besichtigen. Im Wohnzimmer schläft mein Sohn, sagte Frau Schönböck, dort schläft er immer, wenn ich abends weggehe, dann will Horst in mein Bett; das macht aber nichts, er schläft sehr fest, ich mache die kleine Lampe an, und dann können wir auch sprechen, vielleicht etwas leise. Frau Schönböck ging voran, Abschaffel betrachtete das schlafende Kind, einen Jungen von etwa sieben Jahren. Was meinen Sie, flüsterte Frau Schönböck. Das ist doch ganz einfach, flüsterte Abschaffel zurück, diesen kleinen Drehtisch schmeißen Sie raus, die Kommode ebenfalls, und dann stellen Sie den Tisch hierher. So kriegen Sie eine ruhige Ecke mit eindeutigen Stücken. Frau Schönböck stimmte sofort zu und flüsterte: Phantastisch. Sie gingen aus dem Zimmer heraus in die Küche. In der Küche stank es zerstörend nach Waschpulver, und Frau Schönböck sagte: Dann haben wir das Problem ja schon gelöst. Aus einem Schrank holte sie eine Flasche Rotwein und zwei Gläser. Sie sagte: In der Küche ist es so ungemütlich; gehen wir am besten ins Kinderzimmer. Und Abschaffel saß auf dem Bettrand, und Frau Schönböck saß auf dem Boden. Immerzu meinte er, das Zimmer verschließen zu müssen, weil er Angst hatte, das Kind könnte wach werden und herüberkommen und feststellen, daß es machtlos war gegen die Tricks der Erwachsenen. Abschaffel strengte sich an, aufmerksam zu sein. Er wollte weg, immerzu wollte er weg. Sie zeigte ihm ein Paar altmodische Ohrenschützer und sagte: Die hat meine Freundin selbst gemacht, und er merkte sich das Aussehen der Ohrenschützer. Sie zeigte ihm ein Paar Schuhe, deren Sohlen sie rot angemalt hatte, weil sie meinte, es sei schön, rote Schuhsohlen zu haben. Abschaffel bemerkte fortwährend seine Angestrengtheit. Er wollte hinterher nicht mit leerem Gemüt dastehen; deswegen bemühte er sich, vieles zu sehen und sich vieles zu merken. Er stand auf und sah sich das Kinderzimmer an. An einer Wand war ein Regal aufgebaut, es war vollgestellt mit kleinen Autos, Figuren, Bauklötzen, meterlang nebeneinander und übereinander. An einer anderen Wand ein niedriges Schränkchen voll mit Stoff- und Wolltieren, kleine und große und in allen Farben. Und rechts, an der Bettwand, ein kariertes Tuch mit Laschen, in denen Kasperlefiguren steckten. Frau Schönböck stand ebenfalls auf und zeigte ihm ein paar Zeichnungen von Horst.
    Und Abschaffel umarmte sie und wünschte sich weit weg. Sie küßten sich, und Abschaffel ärgerte sich, daß er nicht geschickt genug war beim Öffnen ihres Rockes. Die Vermischung von bedeutenden und lächerlichen Ärgernissen machte ihn ganz fertig. Es gefiel ihm nicht, daß sie sich über sein Ungeschick amüsierte. Abschaffel ließ die Hände an ihren Hüften entlang nach unten rutschen und schnaufte etwas. Frau Schönböck verstand sofort. Sie löste sich von ihm und zog sich schnell aus. Rasch war sie

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