Abschaffel
kam in einen stöhnenden Singsang, der nicht mehr aufhörte. Abschaffel gab keinen Ton von sich, und als es ihr kam, pfetzte sie die Augen zusammen, so daß Abschaffel glaubte, sie hätte starke Schmerzen. Sie griff nach einem kleinen Kinderkissen und stopfte es sich in den Mund und schrie in das Kissen, als sei sie hinter verschlossenen Türen geknebelt. Abschaffel war noch niemals mit einer Frau zusammengewesen, die so rasch kam wie Frau Schönböck. Das war schön für ihn; jetzt brauchte er kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er nur an sich dachte. Er bog ihre Beine weit auseinander und stieß von weit oben in sie hinein. Einen Augenblick lang wollte er sich wieder stören an der grotesken Körperhaltung, die sie nun eingenommen hatte und in der er sie festhielt, dann aber spürte er, wie sich sein gesamtes Körpergefühl auf sein Geschlecht zu konzentrieren begann. Rasch kam es ihm, und Frau Schönböck machte es ihm leicht. Er sank über ihr zusammen, sie nahm ihn auf und war ruhig und sagte, er könne so bleiben und sich ausruhen. Er versuchte gleich von ihr herunterzugehen, sie aber verstärkte den Druck ihrer Hände an seinen Seiten, und er blieb. Abschaffel bemerkte, wie das Gefühl wieder in ihn einzog, er müßte sich beeilen. Sie hielten bewegungslos inne wie eine Skulptur, und Abschaffel kam wieder ab vom Leben und rutschte hinein in seinen Wunsch nach Distanz. Wieder traute er seiner Einfühlung nicht; er betrachtete seine Gefühle immer von außen, immer so, als würden sie ihm nicht wirklich gehören. Merken konnte er das daran, daß er in Ereignissen, die mit ihm zu tun hatten, nie ganz drin war; immer war er ein Stückchen daneben, damit er auf sich selbst sehen konnte. Und deshalb begann er auch über jedes Ereignis, das mit ihm zu tun hatte, sofort zu reflektieren. Wenn andere noch lebten oder erlebten, dachte oder sprach er bereits darüber. Sprechen mußte er auch deswegen, damit er wieder von den Ereignissen wegkommen konnte. Das Reflektieren war die Einlösung des Abstands. Das hatten manchmal auch schon Frauen bemerkt, mit denen er zusammengewesen war. Manche von ihnen gingen so weit, daß sie für die Zeit, die sie mit ihm zusammen waren, seine Haltung übernahmen und sich, ihm zuliebe, auch fremd wurden. Und hinterher wußte niemand, was eigentlich los war.
Abschaffel glaubte jetzt endgültig, sich sofort verabschieden zu müssen. Er löste sich von Frau Schönböck und überlegte, wie er sein Verschwinden einleiten könnte. Sollte er hoffnungsloses Erschöpftsein spielen und die Möglichkeit andeuten, daß er rasch einschliefe, wenn er nicht recht bald wegginge? Weggehen war der Endstand der Reflexion. Sie lagen nebeneinander. Der Augenblick, als er sich einen kalten Aschenbecher auf den Bauch stellte, erinnerte ihn daran, wie lange er schon nicht mehr mit einer Frau in einem Bett gelegen hatte. Zu keiner anderen Gelegenheit stellte er sich, wenn er rauchte, den Aschenbecher auf den Bauch. Frau Schönböck sprach nicht. Es war typisch für Abschaffel, daß er, um weiterzukommen, über etwas Geschehenes sprach. Er schilderte ihr den Eindruck ihrer zusammengedrückten Augen. Nein nein, Sie haben mir nicht weh getan, sagte sie. Abschaffel hatte schon jetzt das Gefühl, alles zu vergessen. Er schämte sich. Sie können hier nicht übernachten, sagte sie. Ja, sagte er erleichtert, ich werde jetzt gehen. Er erhob sich und war froh. Sie gab ihm den Schlüssel für die Haustür für den Fall, daß unten abgeschlossen war. Sie hatte sich ein entsetzliches rosa Nachthemd übergezogen. Schlafen Sie im Kinderzimmer, fragte Abschaffel. Ja, sagte sie. Er ging aus der Wohnung, die Treppen hinunter, aus dem Haus hinaus, und das Gefühl seiner Erleichterung nahm zu und wurde ein Gefühl, das ihn trug. Es war nach Mitternacht, und Abschaffel ging eilig in Richtung Innenstadt. Er hatte die Vorstellung, noch irgendwo in einem hellen Raum vage herumstehen zu wollen. Und er fand bald eine hart und hell mit Neon ausgeleuchtete Steh-Pizzeria, die er sofort betrat. Die Pizzeria war vollständig leer. An den Wänden hingen einige selbstgemalte Blumenbilder mit großen Namenszügen rechts unten in den Ecken der Bilder. Der Raum war ringsum hellgrün gestrichen, unten gesäumt von schwarzen Strichen und Flecken von schmutzigen Schuhsohlen. Ein junger Italiener in einem gelben Hemdchen stand hinter der Theke und wartete auf Abschaffels Bestellung. Abschaffel wollte alles essen und alles trinken, was der Laden
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