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Abschaffel

Titel: Abschaffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Genazino
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Feinde ist und nichts tun kann als warten. Ich bin nicht inmitten meiner Feinde, sagte Abschaffel, ich bin inmitten von vielen Leuten, die auf verschiedene Weise damit zurechtkommen, daß sie keine Wahl haben. Margot hielt mit der Hand sein Geschlecht umschlossen. Willst du noch einmal zu mir kommen, fragte sie. Ja, sagte Abschaffel. Diesmal machen wir fein und lang, sagte er. O ja, dann freue ich mich, sagte sie; ich brauche sehr lang, bis ich komme, das hast du ja schon bemerkt. Es ist für mich am besten, wenn ich auf dir sitze. Laß dir Zeit, sagte Abschaffel. Ich meine immer, ich hätte nie Zeit, sagte sie. Oder ich meine, wenn ich zu lange brauche, du würdest mich vielleicht schon lange nicht mehr mögen und nur noch darauf warten, bis endlich alles vorüber ist. Margot saß auf ihm. Beim zweitenmal kann ich sehr lang, sagte er. Sie stützte sich mit gestreckten Armen auf seinen Hüften ab und machte langsame Bewegungen. Geht es dir gut, fragte er. Ja, es ist gut, sagte sie; und dir, geht es dir auch gut? Ja, sagte er; laß dir Zeit. Abschaffel hatte ein Gefühl, als liege sein Unterleib in warmem Wasser. Stört dich nicht dieses Geräusch, sagte sie. Nein, überhaupt nicht, sagte er. Ich brauche nicht nur sehr lange, ich werde auch ganz und gar naß, und das geniert mich noch mehr, sagte sie. Du hast dir viele Störungen eingebaut, wenn du dich vergnügen willst, nicht wahr, sagte er. Ob ich sie mir eingebaut habe, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall sind sie da. Abschaffel griff ihr mit beiden Händen an die Brüste, und sie erschrak etwas darüber. Siehst du, sagte sie, jetzt fängt das an, was ich hasse: Ich meine, du tust alles nur noch aus Entgegenkommen, weil ich viel zu lange brauche. Du bist zwanghaft, sagte er; wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich jetzt konsequent meine Befriedigung im Auge behalten und sonst nichts, statt dessen läßt du dauernd deinen Störungen den Vortritt. Sie verkürzte ihre Bewegungen und führte sie mit größerer Regelmäßigkeit aus. Sie atmete kurz, und Schweiß von ihren Schultern tropfte auf Abschaffel herab. Tatsächlich sagte sie nichts mehr. Während sie sich heftiger bewegte, begann sie zu weinen. Ich möchte meinen Kopf auswechseln, meinen Kopf möchte ich auswechseln, sagte sie heulend, mein Kopf ist dagegen, daß ich es kriege. Sie zitterte, und Abschaffel stemmte seinen Unterleib mit größerer Konzentration gegen den ihren. Laß dir Zeit, sagte er. Sie hörte auf zu weinen, und ein knapper Ton kam aus ihrem Mund. Bitte mach weiter, sagte sie. Du brauchst mich nicht bitten, sagte er. Sie krallte sich mit beiden Händen fest in seine Hüften und schrie kurz danach ganz hell. Dann sank sie vornüber auf Abschaffels Oberkörper und hielt sich fest und atmete in langen Zügen ein und aus und heulte dabei. Bin ich kaputt, sagte sie, aber so ist es, wenn es gut sein soll. Und du, bist du jetzt beleidigt, sagte sie, weil ich dich so funktionalisiert habe? Nein, sagte Abschaffel; aber du bist beleidigt, nicht wahr, weil du nicht gewohnt bist, dir etwas zu nehmen? Ja, sagte sie, ein bißchen, so leicht geht das nicht weg. Ins Kino gehen wir jetzt nicht mehr, sagte er. Nein, sagte sie. Abschaffel wartete, bis sie eingeschlafen war und rollte sie dann von sich herunter. Er deckte sie zu und streifte ihr die nassen Haare aus dem Gesicht.

Die Vernichtung der Sorgen

 
     
     
    Ich bin einer der Vielen,
    und das gerade finde ich so seltsam.
    Robert Walser
    (aus: Helblings Geschichte, 1913)

 
     
     
    Der Sommer kam, kein Zweifel, und Abschaffel bemerkte die Wärme. Klein gebliebene Stadtwespen summten an den Hauswänden auf und ab, und auf den Gehwegen trocknete der Kot von Hunden und bröckelte auseinander, wenn er ganz hart geworden war. Es war Juni. Abschaffel fühlte sich wegen des Sommers beunruhigt. In den Straßen bepackten Familienväter ihre Autos mit einer endlosen Anzahl von Campingartikeln. Er beobachtete sie heimlich, und wenn er sie lange genug beobachtet hatte, wußte er nicht mehr genau, ob er nicht auf dem Boden seiner tiefen Verachtung, die er für Campingleute hegte, zu niemandem sonst gehören wollte als zu ebendiesen Leuten. Sie fuhren im Sommer einfach in Urlaub, kamen zurück und arbeiteten weiter. Sie erzählten eine Weile vom Urlaub, und wenn die Bilder schwach wurden, erörterten sie ihren nächsten Urlaub, und immer so weiter. Abschaffel war seit Jahren nicht mehr in Urlaub gewesen. Er fühlte sich zu stolz dazu, mit irgendwelchen

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