Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
Laufschritt-Intervall. Das verlangt die ganze Konzentration von Effringer und Schatzmann. Die beiden Flecken kommengehenkommengehenkommen.
Als das Intervall vorbei ist, keucht Effringer: »Und wie im richtigen Leben sind nicht wir es, die das Tempo bestimmen. Wir müssen zusehen, dass wir es halten können.«
Schatzmann führt den Gedanken weiter. »Und doch – bliebe man stehen, würde man zurückgeworfen. Wie im richtigen Leben. Wir haben keine Wahl, als fortzuschreiten. Fortschreiten ist unsere einzige Chance, wenigstens am Fleck zu bleiben.«
Schatzmann will die Theorie mit einem Experiment erhärten. Kurz stehen bleiben, für Sekundenbruchteile aus Effringers Gesichtsfeld verschwinden und im letzten Moment wieder zu ihm aufschließen.
Effringer, der die philosophisch-sportliche Oberhand behalten will, hat die gleiche Idee. Er bleibt in derselben Sekunde stehen.
Just in diesem Augenblick schaltet die höhere Gewalt der Elektronik auf Laufschritt. Schatzmann und Effringer werden rücklings vom Laufband katapultiert.
Beide erleiden im Steißbeinbereich einen komplizierten Karriereknick.
Neues von der Leistungsgrenze
»Haug? In Katmandu?«
»Nicht in Katmandu selbst. Im Himalaja.«
»Und was macht Haug im Himalaja?«
»Ein bis zwei Sechstausender.«
»Ist er jetzt total übergeschnappt?«
»Es bringt ihm viel, sagt er.«
»Im Himalaja auf Sechstausender steigen bringt ihm viel?«
»Er sagt, man fühle sich dort so klein und unbedeutend.«
»Ja, fühlt er sich denn hier groß und bedeutend.«
»Wahrscheinlich.«
»Bestimmt. Er fühlt sich uns… wie hoch sind wir hier?«
»Etwa 600 Meter.«
»Er fühlt sich uns um 5400 Meter überlegen.«
»Meinst du?«
»Ein bis zwei Sechstausender, nur um sich klein und unbedeutend zu fühlen. Das könnte er billiger haben.«
»Zum Beispiel?«
»Mit einer kleinen internen Umfrage, zum Beispiel.«
»Vielleicht tut es ihm gut.«
»Das bezweifle ich. Wenn er zurückkommt, fühlt er sich uns um die Erfahrung überlegen, sich klein und unbedeutend gefühlt zu haben.«
» Wenn er zurückkommt. Soll ja nicht ungefährlich sein.«
»Ach komm, der riskiert doch nichts. Der ist sich viel zu unersetzlich.«
»Täusch dich nicht. Nur in Extremsituationen findet man sich selbst.«
»Das Extremste wäre, dass es ihm gelingt.«
»Sich selbst finden?«
»Das stell ich mir allerdings lebensgefährlich vor: Haug begegnet Haug. Auf sechstausend Metern. Im Himalaja.«
»Du magst ihn nicht.«
»Du schon?«
»Er hat nun einmal diesen Drang, sich selbst zu spüren. Seine Leistungsgrenze zu erkunden.«
»Leistungsgrenze erkunden!«
»Es gibt viele Leute, die das einfach ab und zu brauchen: erfahren, wo die persönliche Leistungsgrenze liegt.«
»Das allein ist schon so unglaublich überheblich: zu meinen, so weit suchen zu müssen.«
»Da ist etwas dran.«
»Meine Leistungsgrenze liegt bei sieben Liegestützen. Dazu brauch ich nicht in den Himalaja.«
»Das ist ja nicht nur körperlich. Das ist auch eine mentale Erfahrung. Völlig ausgepumpt in der dünnen Luft des Hochhimalaja und die allerletzte Gewissheit: Jetzt kann ich nicht mehr.«
»Jede Wette: Er kommt als der gleiche Schafseckel zurück, als der er gegangen ist. Bestenfalls!«
»Vergiss nicht das kulturell-religiöse Umfeld. Das kann einen Menschen schon verändern.«
»Du klingst, wie wenn du dich auch dafür interessieren würdest.«
»Nicht direkt interessieren. Aber eine Erfahrung wäre es eventuell schon.«
»Sich klein und unbedeutend zu fühlen? Sich auf sechstausend Metern selbst über den Weg zu laufen? An der Leistungsgrenze zu patrouillieren? Das darf doch nicht dein Ernst sein.«
»Ich habe jedenfalls Unterlagen bestellt. Unverbindlich.«
»Du spinnst.«
»Es soll auch sehr entbehrungsreich sein.«
»Umso schlimmer.«
»Man nimmt, scheint’s, wahnsinnig ab.«
»Wo, sagst du, gibt es diese Unterlagen?«
Nyffelers Wiedergeburt
Die Idee stammte ursprünglich von Kathrin. »Lass uns mal was anderes machen über die Feiertage«, hatte sie letzten Herbst gesagt und, als Nyffeler nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden hatte, ihn behutsam an den Wellnessgedanken herangeführt.
Zuerst hatte er gedacht, sie wolle einfach ans Meer und nicht wie jedes Jahr zur üblichen Festtagsroutine ins Engadin. Aber dann stellte sich heraus, dass sie fand, sie sollten sich »einmal für zwei Wochen rundum verwöhnen lassen«. Er war im Vollstress gewesen und ließ Kathrin freie Hand.
Im
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