Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
womit nun eigentlich schon fast zu viel gesagt wäre, denn wie gesagt: Die Art des Symptoms gehört nicht hierher, es muss genügen, dass man weiß, dass es sich am letzten Mittwoch, dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig, in Gegenwart seiner Frau im gemeinsamen Ehebett manifestierte und es sich nicht um Bettnässen handelt.
Falls das Symptom stressbedingt ist und der Stress vom Job kommt, wird er in den nächsten Monaten etwas kürzertreten. Und sein Pensum auf hundert Prozent reduzieren.
Managementtraining ( I )
Eggmann trägt einen schwarzen Silva-Laufdress mit zwei Taschen in der Jacke und Kniekordeln an der Hose, OL -Schuhe mit Dob Spikes und einen wettkampftüchtigen Daumenkompass. Das übrige Management steckt in normalen, kaum getragenen Trainingsanzügen und Joggingschuhen. Jedem hängt der Kompass vor der Brust, den er auf der Busfahrt gefasst hat.
Der Orientierungslauf steht unter dem Motto »Standortbestimmung« und ist Teil des Managementtrainings, das Eggmann seinem Kader verschrieben hat. Es geht ihm darum, die Einzelkämpfer zu einem Team zusammenzuschweißen. Sie aus der Firma rauszuholen, damit sie sich einmal in einem anderen Kontext begegnen.
Zudem will er sehen, wie sie reagieren, wenn sie mit etwas Unbekanntem konfrontiert werden. Wie sie unter Zeitdruck mit einer neuen Führungssituation umgehen. Wer führt? Wer wird geführt?
Das Wetter könnte besser sein. Aber Eggmann hat absichtlich die kühle Jahreszeit gewählt, aus zeckentechnischen Überlegungen. Es herrschen knapp zehn Grad, und ein Nieselregen fällt ungehindert durch den kahlen Laubwald. Die Läufer werden nicht frieren. Aber für die Posten (alles Halbfreiwillige aus Sekretariat und Administration) und die Besetzung der Verpflegungsstände (ein paar als Überraschung aufgebotene Teilnehmergattinnen) könnte es hart werden.
Nach einer sehr motivierenden Einführung brieft Eggmann die Wettkämpfer und bildet die Teams. Fünf Mannschaften à drei Mann. Bei deren Zusammenstellung hat er ein paar Handicaps eingebaut. Zum Beispiel den übergewichtigen Welti mit zwei hierarchisch weit unter-, aber sportlich weit überlegenen Kollegen zu kombinieren. Oder die drei Bewerber um das Gesamtmarketing ins gleiche Team zu stecken. Oder die verfeindeten Hafner und Schürch zusammen mit dem intriganten Hüssy, der abwechselnd immer dem jeweils Anwesenden in den Arsch kriecht.
Keiner der Konkurrenten hatte Gelegenheit, sich auf den karten- und kompasstechnischen Part vorzubereiten. Sie ahnten nur aus den Kleidervorschriften, dass es sich um etwas Sportliches handeln wird. Auch das Hilfspersonal wurde erst vor ein paar Stunden eingeweiht. Einzig Frau Schürch, Eggmanns Assistentin, wusste Bescheid. Sie war verantwortlich für den ganzen administrativen Teil. Und auch Kleinert war eingeweiht, der Graphiker, der Eggmann bei der kreativen Gestaltung der Posten assistierte, einer Art Open-Air-Management-Workshops.
Eggmann selber hat sich orientierungslaufmäßig etwas vorbereitet. Er hat vor, als Steppenwolf auf der Strecke zu wildern, hier unvermutet bei einem Posten aufzutauchen und dort ein Team aus dem Dickicht heraus zu belauschen.
Kaum ist der Startschuss gefallen, schlägt sich Eggmann seitlich in die Büsche. Er wird den Parcours von Nordwesten großräumig umgehen und sich hinter dem Waldarbeiterunterstand beim Posten »Projektleitung und Teamführung« verstecken. Er hat die Topographie so genau im Kopf, dass er die Karte in die linke Jackentasche steckt und im lockeren Laufschritt loszieht.
Nach zehn Minuten konsultiert er sie doch. An Nadelwald kann er sich nämlich nicht erinnern.
In diesem Augenblick brechen zwei jagende Löwinnen aus dem Unterholz. Eggmann sprintet auf eine Tanne zu und schafft es in seiner Panik irgendwie, bis zum ersten tragfähigen Ast zu kraxeln. Von dort aus klettert er weiter hinauf, in Sicherheit.
Als er keuchend hinunterschaut, stellt er erleichtert fest, dass er sich getäuscht hat: Es sind keine jagenden Löwinnen.
Es sind jagende Rottweiler.
Managementtraining ( II )
Eggmann geht so vor wie in jeder Situationsanalyse – immer zuerst das Positive. Erstens: Die Tanne, auf die er geklettert ist, ist einigermaßen regendicht. Er hätte ja auch eine entlaubte Buche erwischen können und wäre dem Landregen schutzlos ausgeliefert gewesen.
Zweitens: Er hat den Orientierungslauf so gut organisiert und delegiert, dass dieser auch ohne seine persönliche Anwesenheit reibungslos über die Bühne gehen
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