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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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lese ihn wieder und wieder und bleibe jedes Mal an denselben Worten hängen.

    Spuren exzessiver Gewalt.
    Gleichzeitig drängen sich mir die Worte auf, die Marius bei unserem Abschied auf dem Boot gesagt hat, unentrinnbar und schicksalhaft wie ferngesteuerte Torpedos:

    Chris wird eine Menge Ärger kriegen, glaub mir.
    Charlotte steht neben mir, Fleur in der Tür, und sie schreien sich mit verbissenen Gesichtern an. Charlotte jammert ununterbrochen. Ihre hohe Stimme malträtiert meine Trommelfelle, außerdem zerrt sie unaufhörlich an meiner Strickjacke.
    In einem Anfall von Wut packe ich Charlotte am Arm und schubse sie kräftig von mir weg. »Halt den Mund!«, schreie ich sie an. »Ruhe! Aufhören!«
    Dann richte ich den Blick auf Fleur, die noch immer mit der Fernbedienung in der Hand in der Tür steht. Sie reißt die Augen auf und sieht mich beinahe ängstlich an. Offenbar hat sie erkannt, dass ihre Mutter die Geduld verloren hat.
    Und vielleicht noch viel mehr als das.
    »Ruhe!«, brülle ich. »Alle beide! Hört auf! Habt ihr mich verstanden?« Mit ein paar Schritten bin ich bei Fleur, reiße ihr die Fernbedienung aus der Hand und werfe sie mit voller Wucht ins Wohnzimmer.
    Sie kracht auf den Marmorfußboden, und die Einzelteile fliegen in alle Richtungen. Zwei knallgelbe IKEA -Batterien fallen heraus und rollen weiter bis unter das Sofa.
    Fleur ist zu erschrocken, um zu reagieren. Sie sieht mich mit großen Augen an, voller Respekt, bang und zurückhaltend.
    »Das habt ihr jetzt davon!«, höre ich mich schreien. »Ewig dieses blöde Fernsehen, ewig diese Zankereien um nichts und wieder nichts!«
    In einer tieferen Schicht meines Bewusstseins bin ich mir bewusst, dass ich zu weit gehe. Dass ich die Kontrolle verloren habe. Dass mich die Ereignisse in letzter Zeit viel mehr belastet haben, als ich mir eingestanden habe, und dass ich kurz davor bin, überzuschnappen, vor den Augen meiner Kinder, ja, dass ich kurz davor bin, völlig den Verstand zu verlieren.
    Ich marschiere zur Kochinsel. Charlotte rennt in einem weiten Bogen um mich herum und sucht Schutz bei ihrer großen Schwester an der Tür.
    Mit einer wütenden Geste schiebe ich die Apfelschalen beiseite, lege beide Hände auf die Arbeitsplatte und schließe die Augen. Lege das Kinn auf die Brust. So bleibe ich stehen, mit dem Rücken zu den Kindern, laut ein- und ausatmend, in dem verzweifelten Versuch, wieder zu mir zu kommen oder zumindest wieder zu der verantwortungsbewussten, verlässlichen Mutter zu werden, die ich für meine Kinder sein sollte. Der Frau, die ich um meiner selbst willen sein muss.
    Tickend verrinnen die Sekunden, dann die Minuten. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich dort gestanden habe, gestützt auf den kalten Granit, in mich gekehrt, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen, aber als ich aufblicke, ist alles still.
    Das Weinen hat aufgehört. Charlotte steht noch immer neben ihrer Schwester. Ihre Arme hängen schlaff herunter, und aus ihrer Nase tropft Rotz auf ihre weiße Bluse.
    Keine von beiden rührt sich. Stumm sehen sie mich an.
    Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Und, habt ihr euch wieder beruhigt?«
    Ihre Gesichter hellen sich auf, und sie entspannen sich sichtlich. Ganz einfach. Wie furchtbar, sie so froh und erleichtert zu sehen. Ich kann mich nicht erinnern, mich je so geschämt zu haben. Schrecklich!
    Ich gehe zu ihnen hin, hocke mich vor sie und nehme sie in die Arme. »Tut mir leid, ihr beiden. Das hätte ich nicht tun sollen …« Nervös streichle ich ihnen über den Rücken und küsse sie auf die Stirn. »Soll ich euch etwas zu trinken einschenken? Und was haltet ihr von einer Tüte M&Ms?«
    Stunden später räume ich die Spülmaschine aus. Harald ist in seinem Arbeitszimmer und kümmert sich um die Buchhaltung, die Kinder liegen im Bett. Sie haben Harald kein Sterbenswörtchen von meinem Ausbruch heute Nachmittag verraten. Vielleicht hat er weniger Eindruck auf sie gemacht, als ich vorhin befürchtet habe. Ich kann es nur hoffen.
    Ich stapele die großen Teller übereinander und schiebe sie in den Hängeschrank. Die Frühstücksteller folgen. Dann nehme ich die Besteckkörbe aus der Maschine und stelle sie auf die Anrichte, öffne die Besteckschublade und fange an, die Sachen einzuräumen. Ich erledige alles ganz langsam. Ich habe keine Eile.
    Harald hat nach seiner Heimkehr die Zeitungen durchgelesen. Ich habe ihn darin herumblättern sehen und konnte einen Stich der

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