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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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in Euro geben würde, daher wurden die Transaktionen schon seit geraumer Zeit in Dollars und britischen Pfund abgewickelt.
    Ich öffnete auch die anderen drei Taschen und fand neben einer schwarzen Pistole noch mehr Geldscheine. Die Sporttasche war zur Hälfte mit Pfundnoten gefüllt.
    Bis tief in die Nacht hinein war ich mit Zählen beschäftigt, im Grunde nur, weil ich etwas zu tun haben wollte. Meine Gefühle und Gedanken konnte ich beim besten Willen nicht mehr ordnen, das Geld dagegen schon.
    Zuerst legte ich alle britischen Pfund auf den Glasecktisch, die Dollars auf den Wohnzimmertisch und auf den Teppichboden daneben. Anschließend suchte ich die Scheine mit dem höchsten Wert zusammen und begann, sie zu bündeln. Ich nahm einen Notizblock zur Hand und legte eine Strichliste an.
    Es wurde halb vier, bis ich alles gezählt hatte und das Geld in sauberen Bündeln und Stapeln auf dem Wohnzimmertisch lag. Mit einem Taschenrechner zählte ich die Beträge zusammen. Im Teletext fand ich die Wechselkurse. Alles in allem hatten die Scheine einen Wert von beinahe fünfhunderttausend Gulden.
    Eine halbe Million.
    Natürlich wusste ich, dass Marius mit illegalen Geschäften große Geldsummen verdiente. Ich ging davon aus, dass er mit Drogen handelte, obwohl er sich darüber bemerkenswert vage äußerte und sich regelmäßig in Widersprüche verwickelte. Nur Chris plauderte gelegentlich aus dem Nähkästchen, woraufhin Marius ihn jedes Mal sofort mit einem warnenden Blick zum Schweigen brachte.
    Marius hatte mich stets von allem ausgeschlossen. Geld war immer im Überfluss vorhanden, aber nie zuvor hatte er ganze Taschen voll zu mir nach Hause geschleppt, geschweige denn mir zur Aufbewahrung gegeben. Dass er eine unausgesprochene Abmachung einseitig verletzte, war ein schmerzlicher Beweis für die Abwärtsspirale, in der sich sein Geschäft befand. Es war ein Menetekel, dass ich dort saß, auf dem Boden, gestützt auf den mit Geld überhäuften Wohnzimmertisch, ein Glas lauwarmen Chablis in Reichweite, der Aschenbecher mit Kippen überfüllt.
    Dieses viele Geld! Das ganze Zimmer roch danach. Ich hätte mich glücklich fühlen müssen, aufgekratzt sogar, in der Nähe eines solchen Haufen Bargelds und in dem Wissen, dass ich es ein paar Tage bei mir behalten durfte. Ich hätte es noch einmal nachzählen, neue große und kleine Stapel bilden können. Ich hätte die Scheine in meine Badewanne kippen und wie Dagobert Duck darin schwimmen können. Ich hätte sie auf meinem Bett ausbreiten können. Ich hätte jede Menge skandalöse, dekadente, wahnsinnige Dinge damit anstellen können.
    In Wirklichkeit aber machte mich das Geld nur traurig. Im Nachhinein glaube ich, dass ich da schon gespürt habe, dass es einen Schlusspunkt bedeutete.
    Gegen vier Uhr raffte ich mehrere Pfundbündel zusammen, deren Wert ungefähr den zugesagten fünfzehntausend Gulden entsprach, und steckte sie in eine fast leere Schachtel Frikadellen, die ich anschließend zurück ins Tiefkühlfach schob. Den Rest, der noch immer den ganzen Tisch bedeckte, packte ich zurück in die Taschen. Ich klebte sie wieder mit Klebeband zu, schleppte sie zum Flurschrank unter der Treppe und schob den Staubsauger, einen Kasten Bier und einen Karton mit leeren Pfandflaschen davor.
    Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, legte eine alte CD von Simply Red auf und schenkte mir noch ein Glas Wein ein. Gedankenverloren trank ich, bis es Morgen wurde und die Strahlen der aufgehenden Sonne zwischen den Lamellen der Jalousien hindurchfielen und überall im Wohnzimmer hauchdünne Lichtstreifen zeichneten. Danach muss ich eingeschlafen sein.

39
    Donnerstagnachmittag. Das Haus ist picobello. Ich habe im unteren Stockwerk Staub gesaugt und geputzt und bin jetzt dabei, die Wäschestapel abzubauen. Fensterputzen steht für heute Nachmittag auf dem Programm. Morgen nach dem Reiten miste ich die Boxen aus – was dringend nötig ist –, und wenn ich danach noch genügend Energie übrig habe, knöpfe ich mir die Kinderzimmer vor.
    Harald hat mir schon oft vorgeschlagen, eine Putzfrau einzustellen, damit mir mehr Zeit für anderes bleibt. Aber ich brauche nicht mehr Zeit und will gar nichts anderes. Ich wirtschafte gerne im Haus herum.
    Daher habe ich Harald davon überzeugt, dass wir keine Putzfrau brauchen. Wahrscheinlich würde ich mich schon bald über sie ärgern, die arme Frau auf Stellen hinweisen, die sie vergessen hat, oder ihr die Reihenfolge ihres Vorgehens vorschreiben. Oder, und

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