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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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das ist am wahrscheinlichsten: Ich würde ihre Gefühle nicht verletzen wollen und dafür, sobald sie um die Ecke wäre, ihre Arbeit noch einmal tun, und zwar auf meine Art.
    Außerdem lege ich Wert auf unsere Privatsphäre und unsere Sicherheit. Man weiß nie, wen man in sein Haus lässt. Ich bin seit jeher vorsichtig damit gewesen. Harald ist naiver oder einfach etwas sorgloser in dieser Hinsicht. Er wohnt hier schon so lange, und außer dem Tod seiner Eltern hat er noch nie etwas Schlimmes oder Einschneidendes erlebt. Keinen Einbruch, keine Bedrohungen, nicht mal das Fahrrad wurde ihm je gestohlen. Dass eine Haushaltshilfe vielleicht Kleptomanin, Komplizin einer Einbrecherbande, notorische Unterhosenschnüfflerin oder weiß Gott was sein könnte, kommt ihm nicht mal in den Sinn.
    Ich lege den letzten Stapel Handtücher in die Kommode im Flur und gehe die Treppe hinunter.
    Heute ist es drei Tage her, seitdem ich den Zeitungsartikel gelesen habe. Ich habe ihn am Dienstagmorgen, bevor die Zeitung ins Altpapier wandert, ausgeschnitten, zusammengefaltet und in mein Portemonnaie gesteckt. Ich weiß nicht, warum ich das getan habe, aber jedenfalls bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher, dass wirklich Marius der Mörder war. Das war eine zu voreilige Schlussfolgerung.
    Wenn ich eines in meinem früheren Leben gelernt habe, dann das: Man sollte Menschen nicht vorschnell beurteilen, weil die Realität manchmal anders aussieht, als es auf den ersten Blick plausibel erscheint. Chris war neurotisch, gefühlsmäßig ein Krüppel, und er war kriminell. Eine Mischung, die nicht unbedingt eine Garantie für ein langes, sorgloses Leben bietet. Genauso gut könnte es sein, dass er von anderen Leuten liquidiert wurde, die er sich zu Feinden gemacht hatte, mehr oder weniger zufällig in derselben Woche, in der Marius sich an ihn gewandt hatte – oder sich noch an ihn wenden wollte. Es könnte möglich sein … Oder sie haben sich im Rotterdamer Hafen getroffen, und Chris ist auf Marius losgegangen. Dabei ist er so durchgedreht, dass Marius keine andere Möglichkeit sah, als ihn auszuschalten.
    Solange ich nicht mit Marius spreche, werde ich nicht erfahren, was sich im Hafen abgespielt hat.
    Jeden Tag durchforste ich Haralds Zeitungen auf der Suche nach weiteren Neuigkeiten, aber es gibt einfach keine. Ich habe auch auf unserem Familiencomputer kurz im Internet recherchiert – eine regelrechte Folter, die alte Kiste ist extrem langsam und muss dringend gewartet werden –, aber auch Google bot nur Wiederholungen dessen, was ich bereits gelesen hatte. Die Erde dreht sich einfach weiter ohne Chris Koops.
    Auch ich sollte mein Leben normal weiterführen.
    Marius scheint Wort zu halten. Gestern Abend war es eine Woche her, seitdem wir Abschied genommen hatten, und ich habe nichts mehr von ihm gehört. Das Marius-Handy liegt noch immer unten in meiner Tasche. In ein paar Wochen werde ich vielleicht so weit sein, es wegzuwerfen.
    Mit einem Stapel sauberer Geschirrtücher gehe ich ins Wohnzimmer. Reddy liegt auf dem Marmorfußboden vor dem Sofa. Merkwürdig, sie kommt sonst nie ins Haus. Sie streckt den Schwanz gekrümmt vom Körper weg und hechelt wie ein Hund. Die Augen treten leicht hervor. Ich habe sie noch nie hecheln sehen. Ich wusste gar nicht, dass Katzen das können.
    Rasch gehe ich zu ihr und knie mich neben sie. Ihr Bauch fühlt sich ganz hart an, und sie scharrt ungeduldig mit den Hinterpfoten. Ich habe noch nie eine Katzengeburt miterlebt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Katze am helllichten Tag auf einem ungeschützten, harten Fußboden mitten in einem Wohnzimmer niederkommt, einer Stelle, an der sie sich sonst nie aufhält. Alles weist darauf hin, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist.
    Vorsichtig streiche ich das Fell unter ihrem Schwanz beiseite. Es ist klebrig und schwarz. Fruchtwasser? Oder Blut? Ich bin nicht zimperlich, aber ich wage es kaum, die Stelle zu berühren, aus Angst, Reddy wehzutun. Schon gar nicht will ich sie hochheben und zum Tierarzt bringen. Womöglich mache ich damit alles nur noch schlimmer.
    Ich springe auf und laufe in die Küche zum Telefon. Ich hätte schon viel früher den Tierarzt zu Rate ziehen müssen, aber ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich Reddy ganz aus den Augen verloren habe. Armes Tier. Meine Schuld. Vielleicht ist es schon zu spät, und sie stirbt!
    Ich finde die Nummer unseres Tierarztes in der Telefonkladde und wähle. Mit dem Telefon am Ohr

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