Abschied aus deinem Schatten
sich geirrt. Das weiß ich aber erst seit kurzem.”
„Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Könnten Sie das vielleicht näher erläutern?” fragte er gereizt, wobei er den Knoten seiner Krawatte lockerte.
In diesem Augenblick erschien Mark mit einem Tablett voller Käsehäppchen und Salzgebäck, das er auf dem Couchtisch absetzte. „Ich werde mal den Schiedsrichter spielen, habe ich mir überlegt. Sonst macht ihr zwei in einer Tour weiter und redet am Ende am eigentlichen Thema vorbei.”
„Es wäre mir lieb, wenn du dich da heraushalten würdest”, setzte Rowena an.
Reid schnitt ihr das Wort ab. „Nein, ich halte das für eine gute Idee. Darf ich mir noch einen holen?” Er hielt den Kaffeebecher hoch.
Mark und Rowena antworteten gleichzeitig. „Bitte, bedienen Sie sich. Nur zu!”
Sobald er außer Hörweite war, sah Rowena Mark missgelaunt an. „Was soll das? Wieso mischt du dich da ein? Ich würde das bei dir auch nicht machen!”
„Weiß ich.” Er blieb gelassen. „Andererseits würde ich die Art Hilfe, die du brauchst, auch gar nicht benötigen.”
„Was soll das denn heißen?”
„Das bedeutet, dass du dich verrannt hast, und zwar bereits seit Claudias Tod. Es bedeutet weiterhin, dass ihr zwei einen Vermittler braucht, der euch sagt, wo es langgeht. Drittens bedeutet es, dass ihr beide nicht besonders gut mit Gefühlen umgehen könnt. Deshalb mache ich den Schiedsrichter.”
„Gute Idee”, bemerkte Reid erneut, als er mit seinem Kaffee zurückkehrte.
„Legen Sie das Jackett ab”, forderte Mark ihn auf. „Machen Sie es sich bequem.”
Mit einem Lächeln, das wirkte, als fände er Marks Vorschlag unter den gegebenen Umständen grotesk, hängte Reid sein Sakko über eine Sessellehne, blieb aber stehen.
„Bisschen Käse gefällig?” fragte Mark.
„Vielen Dank. Ich habe nämlich Hunger.”
„Das dachte ich mir, und deshalb koche ich etwas zum Dinner. Für uns drei!”
Rowena stöhnte auf und verdrehte die Augen. „Mark, jetzt nutzt du aber die Situation schamlos aus!” sagte sie anklagend.
„Sehr richtig. Los, hinsetzen, Tony!” Die Arme vor der Brust verschränkt, stand Mark da wie ein altgedienter, doch immer noch engagierter Lehrer. „So, wir gehen folgendermaßen vor”, sagte er zum Auftakt, nachdem Reid sich gesetzt hatte. „Ihr müsst unbedingt miteinander reden, ihr zwei, und zwar auf der Stelle. Du, Rowena, bist durch die Angelegenheit mit Claudia blind gegenüber wichtigen Dingen geworden. Und Sie, Tony, Sie mögen zwar Psychiater sein, doch das hat Ihnen augenscheinlich bei der Bewältigung dieser Situation wenig genützt.”
Reid lachte. „Manche von uns sind Psychiater geworden, weil wir anderer Leute Probleme besser in den Griff bekommen als unsere eigenen. Wir sprachen gerade über meine Diagnose, wenn ich mich recht erinnere”, sagte er, zu Rowena gewandt. „Ich würde gern erfahren, was Sie da neuerdings herausbekommen haben.”
„Es ist höchst interessant”, bemerkte Mark.
„Würdest du bitte deine persönliche Meinung außen vor lassen?”
„Reg dich ab, Ro! Es ist doch wirklich interessant! Willst du nun unserem Gast Auskunft geben, oder willst du deine Energie in Streitereien mit mir verschwenden?”
„Jetzt wird mir die Sache aber langsam unheimlich!” sagte sie und sah dabei von einem zum anderen. „Was ist hier eigentlich los?”
„Gar nichts”, versicherte Mark.
„Mich interessiert nur, was Sie herausgefunden haben”, erklärte Reid, während er sich ein Stück Cheddar-Käse in den Mund steckte und mit dem frischen Kaffee nachspülte.
„Ihr führt doch was im Schilde, ihr zwei!”
„Nun erzähl ihm schon von deinen Nachforschungen, Ro!”
Sie wäre ihrem Verdacht liebend gern nachgegangen, sah aber ein, das es Zeitvergeudung wäre. Keiner der beiden Männer hätte zugegeben, all dies inszeniert zu haben. Seufzend kuschelte sie sich in die Sofaecke. „Ironischerweise”, wandte sie sich an Reid, „las ich davon zum ersten Mal in Ihrem Wartezimmer. In einer alten Ausgabe von
Psychology Today
. Können Sie etwas mit der Abkürzung FAS anfangen? Klingelt da was bei Ihnen?”
„Durchaus. Aber sagen Sie mir, was da bei
Ihnen
klingelt!”
„So geht das nicht! Sie behandeln mich schon wieder wie eine Patientin.”
„Nein”, mischte Mark sich ein. „Tut er nicht!”
„Ich möchte eben wissen, was Sie dazu zu sagen haben”, meinte Reid. Sein Blick schweifte von Mark zu Rowena und dann wieder zurück. „Rowena hat
Weitere Kostenlose Bücher