Abschied aus deinem Schatten
atmend auf die Polster sinken und griff nach der Zigarettenschachtel, die auf dem Couchtisch lag.
„Na, ob das so eine gute Idee ist?” ließ Reid sich vorsichtig vernehmen.
„Da mögen Sie Recht haben, ist es wahrscheinlich nicht. Ich genehmige mir aber trotzdem eine.” Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Schlagartig wurde ihr schwummrig und so speiübel, dass sie glaubte, ohnmächtig zu werden.
„Ich habe es Ihnen ja gesagt!” Reid setzte sich neben sie und drückte die Zigarette aus. „Legen Sie einen Augenblick den Kopf in den Nacken. Augen zu dabei!”
Zu schlapp zum Streiten, befolgte sie seine Anweisung. Dann, so glaubte sie zumindest, musste sie wohl eingeschlafen sein, weil sie plötzlich hörte, wie Mark sich fragend an Reid wandte. „Was ist mit ihr?”
„Ach, nichts. Rowena wollte bloß eine rauchen.”
Sie öffnete die Augen. „Reid hat gemeint, es wäre keine so gute Idee”, sagte sie. „War es auch nicht.”
„Mensch, Rowena, du spinnst wohl!” schimpfte Mark gutmütig. „Jetzt trinkt erst mal euren Kaffee, ihr zwei. Falls ihr was braucht – ich bin in der Küche.”
Reid reichte Rowena einen der Kaffeebecher und saß dann eine Zeit lang schweigend da, seinen Kaffee zwischen den großen Händen haltend. Dann fragte er: „Warum so missgestimmt, Rowena?”
„Ich mag keine Überraschungen. Auf Besuch war ich nicht eingestellt.”
„Falls in Ihnen bezüglich meiner Person ein Sinneswandel vorgegangen ist – warum haben Sie es mir nicht auf den Kopf zu gesagt, statt mir Tag für Tag aus dem Weg zu gehen? Wie ein dummer Junge behandelt zu werden, das finde ich nicht eben amüsant!”
„Und ich finde es nicht amüsant, wenn man mich belügt.”
Er nippte an seinem Kaffee und stellte den Becher auf den Couchtisch. „Ich soll Sie belogen haben? Inwiefern?”
„Bezüglich Claudia. Was Ihre Beziehung zu ihr angeht. Und im Hinblick auf Ihre Diagnose auch.”
„Bei einer Diagnose handelt es sich primär um fachliche Vermutungen. Eine Fehldiagnose liegt da durchaus im Bereich des Möglichen. Gelogen habe ich bezüglich meiner Schlussfolgerungen auf gar keinen Fall.”
„Sie hatten etwas mit meiner Schwester. Streiten Sie es bitte nicht ab!” Als sie die Worte über die Lippen brachte und in seine blauen Augen blickte, fragte sie sich unwillkürlich, was dies alles sollte. Es war doch ganz offensichtlich nicht mehr wichtig! Sie wollte ihn auch gar nicht kränken.
„Wie kommen Sie denn darauf?” Sein Rücken straffte sich, sein Blick nahm einen argwöhnischen Ausdruck an.
„Meine Schwester hatte ein kleines Steckenpferd, Reid. Sie neigte dazu, ihre Tête-a-Têtes fürs Heimkino aufzunehmen.”
Reids ohnehin bereits blasses Gesicht wurde noch eine Spur bleicher. Sein Blick schweifte in die Ferne, als versuche er, sich an einen Vorfall zu erinnern, zu dem die gerade gehörte Information vielleicht passen mochte. „Sie hat Aufnahmen gemacht?” Bestürzt sah er Rowena wieder an. Er wirkte derart betroffen, dass er ihr regelrecht Leid tat. Sie schämte sich geradezu. „Ja, lieber Himmel!” Mittlerweile hatte er sich vorn auf die Sofakante gesetzt, als wolle er jeden Moment aufspringen und davonstürzen. Rowena merkte, wie eine Ader an seiner Schläfe pulsierte. „Und Sie haben das Video, stimmt’s? Und gesehen haben Sie es auch?”
„Gesehen habe ich es tatsächlich”, räumte sie ein. „Aber inzwischen ist es vernichtet.”
„Na, jetzt wird mir einiges klar!” Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar und massierte sich das Gesicht.
„Sie haben mich belogen”, wiederholte sie und fühlte sich gleichzeitig albern und mimosenhaft. Doch da sie einmal angefangen hatte, konnte sie die Sache nicht einfach fallen lassen.
„Nun werden Sie aber nicht kindisch, Rowena! Jeder lügt mal”, entgegnete er resigniert. „Jeder!” Er sah sie an und wandte dann den Blick ab. „Dass ich mir eine schlimme Eselei geleistet hatte, das wollte ich nicht an die große Glocke hängen. Wie sich nun erweist, war dies Verhalten wohl noch dümmer, als ich dachte.”
Reid schien dermaßen aufgewühlt, dass Rowena sich bereits versucht sah, ihn zu beschwichtigen. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. „Meinen Sie nicht, dass Sie mir die Wahrheit schuldig sind?”
„Doch, vermutlich.” Er trank einen Schluck Kaffee und starrte in den Becher, den er zwischen den Knien hielt.
Rowena zog die Hand zurück und nahm gleichfalls einen Schluck, während sie
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