Abschied braucht Zeit
Frankl schrieb diesen Satz, nachdem er in mehreren Konzentrationslagern, u.a. Auschwitz, interniert gewesen war und einen Teil seiner Familie im Holocaust verloren hatte: sein Vater starb in Theresienstadt, seine Mutter wurde in Auschwitz, seine Frau in Bergen-Belsen ermordet. Trotz dieser bitteren Erfahrungen war Viktor Frankl, der erst 1997 im hohen Alter von 92 Jahren nach einem längeren Herzleiden in Wien starb, von der lebenserhaltenden Kraft des Humors überzeugt: »Auch der Humor ist eine Waffe der Seele im Kampf um ihre Selbsterhaltung. … Es gibt nun einmal Situationen, in denen keine Wahl mehr bleibt, es sei denn, die Wahl der Haltung und der Einstellung.« 181
Lachen und Humor entspannt, erleichtert, befreit und hat somit einen positiven Effekt auf körperliches und psychisches Befinden. Die gesundheitsfördernde Bedeutung von Lachen und Humor ist schon lange bekannt. Dennoch gibt es kaum wissenschaftliche Beweise für die physiologisch nachweisbaren Wirkungen sowie für die emotionalen, immunologischen, Stress mindernden und sozial unterstützenden positiven Effekte, die dem Lachen zugeschrieben werden. In einigen experimentellen Untersuchungen wurde festgestellt, dass Lachen nicht nur zu einer Muskelentspannung führt, sondern auch den Sauerstoffverbrauch optimieren kann. Lachen hat positive Wirkungen auf die Herz- und Kreislauffunktion sowie auf immunologische und entzündliche Parameter, und es erhöht die Schmerztoleranz. 182 Es reduziert Stress und benötigt weniger Energie als Weinen, wodurch es z.B. den Umgang mit Belastungssituationen erleichtern kann. 183 Lachen als Therapie wird in Rehabilitationsprogrammen bei chronischen Erkrankungen, in psychotherapeutischen Settings, aber auch in der Schmerztherapie empfohlen und systematisch eingesetzt.
Lachen und Humor sind natürlich nicht das gleiche, auch wenn sie in enger Beziehung zueinander stehen und Humor eine der wichtigsten Fähigkeiten ist, um Lachen auszulösen. Ein bekanntes Beispiel für die gesundende und schmerzlindernde Wirkung des Lachens ist der Selbstversuch des Anästhesisten Norman Cousins, der an einer schmerzhaften Gelenkerkrankung litt. Durch ein systematisches Training mit lustigen Comics, Filmen und Büchern versuchte er täglich etwa zehn Minuten intensiv zu lachen, um seine Stimmung aufzuhellen. Dabei stellte er fest, dass auch seine Schmerzen nachließen. Die Dosis der Schmerzmedikamente konnte reduziert werden und er schlief besser. Mit regelmäßigen »Lachsitzungen« und hohen Dosen Vitamin C gelang es ihm schließlich sogar, die akute Entzündung zu beherrschen. 184 Obwohl Lachen als spezielle psychomotorische Reaktion auch ohne Humor, z.B. durch spezielle Pharmaka, ausgelöst werden kann, ist die Fähigkeit, die Dinge humorvoll anzugehen, eine wichtige Voraussetzung für die positive Wirkung des Lachens.
Auch in der Palliativsituation ist Lachen erlaubt. In der Begegnung und im Umgang mit Sterben und Tod können Humor und Selbstironie sowie Lachen für alle Beteiligten eine entlastende Wirkung haben. Menschen, die im Umgang mit belastenden Situationen humorvoll sind, haben weniger Angst vor dem Tod. 185 Wichtig ist es, die verborgenen oder versteckten Botschaften, die sich hinter verschiedenen humoresken Formen der Kommunikation verbergen, zu erkennen und aufzunehmen, das erleichtert die Kommunikation und schafft Entspannung. Der an Kehlkopfkrebs erkrankte Heidelberger Karikaturist Karl-Horst Möhl brachte in den letzten Monaten seines Lebens seine Erfahrungen in der Konfrontation mit der tödlichen Erkrankung in einer Sammlung von Karikaturen zum Ausdruck, in denen es trotz der spürbaren Nähe zum Tod viel zu lachen gibt. Wer bis zuletzt lacht, lacht am besten heißt der kleine Band, in dem die Möglichkeit, dem Tod zu begegnen, schon mal als Einladung erscheint, bei ihm auf seiner Website www.du-bist-dran.de vorbeizuschauen. Nicht ganz ohne Sarkasmus fordert er dazu auf, sich zumindest um eine zweite Meinung zu bemühen, ehe man sich dem Tod anvertraut. 186
Während sich Pflegende und Ärzte selten trauen, einem kranken Menschen mit Humor und Witz zu begegnen, haben schwerstkranke Menschen untereinander oft keine Hemmungen, ihre Situation mit manchmal tiefschwarzem Humor zu beschreiben. Witze, die sich Menschen in Alten- und Pflegeheimen erzählen, betreffen nicht selten die Frage, was passiert, wenn man gestorben ist. Ein Beispiel:
Während einer Reise zum Grab Jesus’ in Golgatha stirbt unerwartet die
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