Abschied in Dunkelblau
Harbor, Tavernier und über eine weitere Brücke auf Candle Key. Die Vorfreude auf ihren Jungen war ihr anzusehen, als sie mir die Seitenstraße zeigte und dann, hundert Meter die Seitenstraße entlang, die Steinsäulen, von denen die Einfahrt auf die enge Straße zu dem alten, hölzernen Haus an der Bucht markiert wurde. Es bestand aus schwarzen Zypressen und hartem Kiefernholz, ein windschiefes, verwittertes, vernachlässigtes altes Haus, das bequem auf seinen Stelzen stand und bereit war, den Orkanstürmen zu trotzen, die aufwendigere Konstruktionen dem Erdboden gleich machen würden.
Eine Bande kleiner, braungebrannter Kinder kam mit Gebrüll um die Ecke eines Schuppens gerannt und stürzte sich auf uns. Als sie auseinandersortiert waren, erkannte ich, daß es nur drei waren, alle von einer blondschöpfigen Familienähnlichkeit. Cathy küßte und drückte sie alle ausgiebig und zeigte mir, welches der Kinder Davie war. Sie teilte drei rote Lutscher aus, und dann stoben sie lutschend und schreiend davon.
Christine kam aus dem Haus. Sie war dunkler und schwerer als Cathy. Sie trug verwaschene, oberhalb der Knie abgeschnittene Jeans und ein weißes Männerunterhemd mit einem Riß in der Schulter. Sie kam langsam auf uns zu und zupfte dabei ihr Haar zurecht. Sie hielt sich nicht mit Cathys geschmeidiger Anmut der Tänzerin, aber sie war eine seltsam attraktive Frau, bedächtig und nachdenklich, mit einem sinnlichen, herausfordernden Blick.
Cathy stellte uns vor. Christine stand da mit ihrer glatten Haut, warm und gelassen und leicht abschätzend. Sie verströmte das Aroma der Frauen mit irdischer Sexualität, die ihre Jungen zur Welt gebracht und körperliches Selbstvertrauen erworben haben, ohne lange darüber nachzudenken. Sie sind oft in aller Gemütsruhe ungekämmt, sogar ungewaschen, und haben kein Interesse an höflichem Getue. Sie genießen die Dinge des Lebens langsam und gründlich: das Essen, die Sonne, den Tiefschlaf, die Bedürfnisse der Kinder, die Zärtlichkeiten der Lieben. Ein Anflug von Großartigkeit ist ihnen zu eigen, wie die leidenschaftliche Würde einer Löwin.
Sie küßte ihre Schwester, kratzte sich am Arm, sagte, sie würde sich freuen, mich kennenzulernen, und wir sollten doch hereinkommen, Kaffee sei gerade frisch gemacht.
Das Haus war unordentlich, überall Muschelschalen, kaputtes Spielzeug, Kleider und Krümel. Ein ausgefranster Binsenteppich lag im Wohnzimmer, riesige Möbelstücke aus dem Zeitalter Viktorias standen da, das schwarze Holz zerkratzt, die Polster verfleckt und verblichen. Sie brachte Kaffee in weißen Bechern, der war dunkel, stark und köstlich.
Christy saß auf der Couch, die braunen, zerkratzten Beine unter sich geschlagen, und meinte: »Ich weiß, daß Lauralee Hutz einen Job sucht, und sie könnte tagsüber hier sein für fünfundzwanzig die Woche, und ich könnte vielleicht fünfundvierzig als Kellnerin im Caribbee verdienen, aber das heißt natürlich, daß ich hin und zurück muß, und der Garten macht sich auch gut, und letzte Woche habe ich sechs Dollar von Gus für Krabben bekommen, also scheint es sich alles in allem doch nicht zu lohnen, wir kommen ja zurecht mit dem, was du uns schickst, aber an manchen Tagen ist es einsam, man kann mit niemandem reden außer mit den kleinen Kindern.«
»Hast du das mit dem Geld für die Steuern gemacht?«
»Ich hab’ es selbst hingebracht, und Mr. Olney, der hat mir gezeigt, daß es ein halbes Prozent pro Monat ausmacht, seit es fällig war. Ich hab’ die Quittung draußen im Brotkasten, Schwesterlein.«
»Christine, mit dem Job und allem mach du nur, wie du willst.«
Sie lächelte Cathy etwas komisch an: »Max kommt immer wieder mal vorbei.«
»Du wolltest ihn doch davonjagen.«
»Ich bin mir noch nicht ganz sicher,« sagte Christine. Sie musterte mich genau. »Arbeiten Sie im selben Laden, Mr. McGee?«
»Nein. Ich habe Cathy durch Chookie McCall kennengelernt. Ich mußte hier unten etwas erledigen, da habe ich gedacht, Cathy würde vielleicht gerne mitfahren.«
Cathy sagte unvermittelt: »Daddys Briefe aus der Armeezeit, hast du die weggeworfen, als du Mamas Sachen aussortiert hast?«
»Ich glaube nicht. Wozu brauchst du die denn?«
»Ich will sie nur noch mal lesen.«
»Falls sie noch irgendwo sind, dann wahrscheinlich in dem Schrankkoffer mit dem runden Deckel im hinteren Schlafzimmer, vielleicht in der obersten Schublade.«
Cathy verließ das Zimmer. Ich hörte ihre schnellen Schritte auf der
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