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Abschied in Dunkelblau

Abschied in Dunkelblau

Titel: Abschied in Dunkelblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
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Sie direkt danach rechts ab, fahren Sie einfach zum Wasser runter und biegen noch einmal rechts ab, dann ist es das zweite Haus auf der rechten Seite, ein langes, flaches, weiß getünchtes Haus.«
    Es war eines jener typischen Häuser Floridas, die mir nicht gefallen, ganz aus Hohlziegeln, Glas, Mosaikkacheln und Aluminium. Sie sind so kalt wie ein Operationssaal. Die sind nichts weiter als eine Anordnung von Schachteln entlang eines Korridors, eine Art Durchgangshaus, als Eingang zu einem wärmeren, wohnlicheren Haus gedacht, das aber nie gebaut worden ist. Wenn man sich in diesen Räumlichkeiten aufhält, hat man das Gefühl zu warten. Man wird das Gefühl nicht los, daß eine Tür aufgeht und man hereinbefohlen wird und daß einem schreckliche Dinge widerfahren, bevor man wieder entlassen wird. Jene Häuser kann man nicht mit dem Flair der Behaglichkeit versehen. Wenn sie ausgeräumt werden, nachdem jemand darin gewohnt hat, sehen sie aus wie Häuser, die vor kurzem erst von Blut reingewaschen worden sind.
    Der Vorgarten war verwildert und voll trockenen Unkrauts. Ein schmutziger, weißer Thunderbird parkte in dem doppelten Unterstand. Ein neues, rotes und weißes Schild im Vorgarten kündigte an, daß sich Jeff Bocka glücklich schätzen würde, jemandem dieses Haus zu verkaufen. Ich stand vor dem strengen Eingang, drückte einen Klingelknopf aus Plastik und hörte drinnen einen Gong. Ich vernahm das schwache, schnelle Klicketiklack von herannahenden Sandalen auf Kacheln, die weiße Haustür wurde aufgerissen, und ich verwarf alle Vorstellungen, die ich mir von Mrs. Atkinson gemacht hatte.
    Sie war eine hochgewachsene, schlanke Frau, vermutlich Anfang der dreißiger. Ihre Haut war außergewöhnlich feinporig und durchscheinend, wie man sie bei kleinen Kindern und Mannequins vorfindet. Die feingliedrigen, schlanken Hände, die eleganten Handgelenke, die Geschmeidigkeit ihres dunklen Haares und die Beweglichkeit ihres schmalen, ovalen, empfindsamen Gesichts erweckten den Eindruck, beinahe etwas zu perfekt gemacht und zu fein gezeichnet zu sein. Ihre Augen waren groß, sehr dunkel, saßen leicht schräg und weit auseinander. Sie hatte dunkle Bermudas an, Sandalen und eine frisch gebügelte, blauweiße Bluse, keinerlei Schmuck, nur einen Hauch von Lippenstift.
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Wer sind Sie?« Sie sprach schnell und eindringlich, mit hoher Stimme und zitterndem Mund. Sie schien auf dem schmalen Grat einer emotionalen Katastrophe zu wandern und sich nur mit äußerster Anstrengung unter Kontrolle zu halten. Das kräftige, schwere Aroma von Cognac umgab sie und eine gewisse Unstetheit; ihre Augen bewegten sich zu schnell und waren nicht ganz scharf eingestellt.
    »Mrs. Atkinson, mein Name ist Travis McGee.«
    »Ja? Ja? Was wollen Sie?«
    Ich versuchte, entwaffnend auszusehen. Das kann ich ziemlich gut. Ich habe dafür ein sehr nützliches Gesicht. Marke gebräunter Amerikaner. Helle Augen und weiße Zähne, die aus einem runden, sonnenbraunen, verläßlichen, knochigen Gesicht blitzen. Die richtigen Lachfalten des Volkshelden in den Augenwinkeln und, falls es gebraucht wird, ein bescheidenes, gewinnendes Lächeln. Man hat mir schon einmal gesagt, wenn man mir mit Gewalt kommt, sähe ich aus wie ein Höllenhund aus der dunkelsten Ecke, aber das kann ich nicht beurteilen. Mein Spiegel reflektiert stets das umgängliche Gesicht eines jungen Bauingenieurs, der trotz widrigster Umstände, einschließlich eines vergifteten Pfeils in seiner heldenhaften Schulter, die Brücke über den Fluß gespannt hat.
    Also schaute ich entwaffnend drein. Wenn man etwas Nützliches geschenkt bekommen hat, nutzt man es auch. Viele Bankräuber sehen äußerst vertrauenswürdig aus. Also benutzt man sein Gesicht dazu, um Gesichter aufzusetzen, Rollen zu spielen, Hinweise aufzuschnappen. Bei jedem Zusammentreffen mit einem anderen Menschen schlüpft man jeden Tag in die Rolle, von der man spürt, daß sie das Gegenüber von einem erwartet, oder, sollte man gegenteilige Beweggründe haben, genau in die Rolle, die sie nicht erwarten. Wäre das nicht so, gäbe es keinen Platz mehr, um sich zu verstecken.
    »Ich wollte nur mit Ihnen über ...«
    »Ich werde das Haus nicht ohne Terminabsprache zeigen. So ist es vereinbart worden. Tut mir leid.«
    Diese Tonlage und diese Wortwahl lernen sie in den vornehmen Schulen, die sie besuchen, bevor sie nach Smith, Vassar oder Wellesley aufs College gehen.
    »Ich möchte mit Ihnen über Junior

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