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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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war. Und der ist normalerweise bei der Auswahl der Röcke, denen er hinterher starrt, nicht sonderlich wählerisch.
    Nachdem ich der Unscheinbaren einen Milchkaffee gebracht hatte, holte ich also eines der Bücher aus dem Schrank, die ich für den Fall eines ereignislosen Abends dort aufbewahrte, und begann zu lesen.
    Philosoph nannten mich meine Kollegen und mein Chef wegen dieser Angewohnheit. Dass ich wirklich Philosophie studierte, wussten nur die wenigsten. Dabei nahm ich mein Studium durchaus ernst. Schließlich ist es die Philosophie, die als Königin der freien Künste über das Schicksal des Menschengeschlechts in einer entzauberten Welt gebietet. Außerdem hatte ein Mädchen aus meiner Jugendzeit gemeint, ich sähe sexy aus, wenn ich denke, denn dann bekäme ich so richtig süße Grübchen um die Augen. Und über philosophischen Texten kommt man ja nun wirklich zum Denken. An diesem Abend hatte ich mich für Camus entschieden, leichter Denkstoff, Der Mythos von Sisyphos , denn ich dachte, ist ja eh niemand da, der sich für meine Grübchen hätte interessieren können.
     
    2.
     
    Obwohl ich die Lektüre als erbauend empfand, vor allem die Passagen über Don Juan, wurde ich doch bald zu nervös, um weiter lesen zu können. Erst dachte ich, es ist jene Unruhe, die wohl jeder kennt, der in der Gastronomie gearbeitet hat. Diese nervöse Erwartung, die einen manchmal an ereignislosen Abenden packt, und die mal irgendwer in das Sinnbild vom Bus gegossen hat, welcher seine Menschenfracht vor deiner Theke löscht : fuffzig mal heißer Kakao mit Sahne, woll, aber bitte mit Süßstoff! Aber bald war mir bewusst, dass es eine ganz private Unruhe war, die mich befallen hatte.
    Aber zunächst einmal geschah nichts. Immer noch die gleichen Gäste saßen über den gleichen Getränken, als wären diese ein Stück rettendes Holz auf kaltem Ozean. Lediglich mein Rücken meldete sich schmerzhaft zu Wort. Ich zapfte mir ein Pils, spülte eine der Schmerztabletten, die mir der Orthopäde für Notfälle mitgegeben hatte, mit einem Schluck Bier herunter und setzte mich – auf Ablenkung hoffend – zu meinem Chef.
    Mit den Worten »Zäh heute« öffnete ich seinen unermesslichen Fundus an wehmütigen Erinnerungen und konnte bei Bier und Zigarette seinen Geschichten von vergangenen, besseren Zeiten lauschen, jenen Zeiten, da der Laden immer brechend voll gewesen war, und der Tabak billiger und die Frauen williger. Es dauerte nicht lange und Hans-Dieter, die Küchenschabe an diesem Abend, setzte sich ebenfalls zu einem Bier zu uns. »Träg heute«, meinte er, und ich holte meinem Chef (und auch mir) noch ein Pils, um den Faden, an dem er die glorreiche Vergangenheit zu uns hinüberzog, ordentlich zu ölen, damit er nicht abriss. Denn während ich mich einige Zigarettenlängen lang von diesem Faden einwickeln ließ, schaffte ich es tatsächlich, meine Unruhe auf ein erträglicheres Maß zu dämpfen. Auch das Bier, in Verbindung mit dem Restalkohol der vergangenen Tage und der schmerzlindernden Tablette, wird zu der Beruhigung meiner gereizten Nerven beigetragen haben. Aber meine Ruhe sollte nicht lange vorhalten, der Faden zerriss allzu bald, und mitten in der glorreichen Vergangenheit tat sich ein Spalt auf, durch den die Unruhe wie etwas Bedrohliches, Unbekanntes hineinfloss. Selbst als ich noch ein Bier nachlegte, schaffte ich es nicht, diesen Spalt zu schließen. Mein Blick glitt unwillkürlich wieder und wieder zur Eingangstür.
    Doch dann füllte sich die Kneipe doch noch mit Gästen, innerhalb einer Viertelstunde war der Laden voll, und ich stürzte mich in die Arbeit. Auch wenn ich mir den Blick zur Tür nicht verkneifen konnte, lief ich wie am Schnürchen, die Maschine stampfte und glühte. Ich legte mich noch mehr ins Zeug und Kohlen nach, der Kessel brummte und pollerte, in mir brannte es lichterloh, selbst die Rückenschmerzen waren verschwunden, und endlich vergaß ich das ungute Gefühl.
    Schließlich aber war der Sturm, so schnell er aufgekommen war, vorbei. Die Mehrzahl der Gäste zahlte und ging. Auch die unscheinbare Frau verließ das Lokal. Übrig blieben nur die paar Gestalten an den Tischen, die schon den ganzen Abend dort gesessen hatten und die üblichen Leute am Tisch meines Chefs, die zwischendurch eingetrudelt waren. Ich zapfte mir, nachdem ich die Tische abgeräumt und gesäubert hatte, ein leckeres Jetzt-beginnt-der-gemütliche-Teil-des-Abends-Bier, und locker an den Tresen gelehnt setzte ich mir meinen

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