Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Neues veröffentlicht? Selbst auf der Lesung haben sie alte Geschichten gelesen, zum Glück alte Geschichten, die vor allem hier spielen. Also kurz gesagt: Ich will für sie das sein, was sie für mich mit ihrem Sammler waren. Gerade weil ich ihnen so dankbar bin, habe ich ihnen geschrieben. Sie haben sich verirrt, und ich will ihnen den rechten Weg zeigen.«
Sprachlos sah ich ihn an, während er sein Glas wieder füllte. Dann fasste ich mich wieder: »Was wollen sie? Ihnen gefällt meine Schreibe nicht und sie bedrohen meine Eltern? Sie haben doch einen Knall!«
K. lächelte. »Finden sie? Hat ihnen nicht gefallen, was sie gelesen haben? Neuer Stoff, ein Roman, der den Stil ihrer früheren Geschichten atmet. Den Stil, den sie schon so lange nicht mehr hinbekommen. Flotte Schreibe, humorvoll, dazu eine gewisse Neigung zur Theatralik und einen durchaus sympathischen Hang zum Abstrusen. Wie lange haben sie schon keine schönen Effekte aus dem Chaos und aus dem Abseitigen des Alltags geschöpft? Ich sage es ihnen geradeheraus (K. klopfte mit dem Glas an die Seiten seiner Aufzeichnungen, die ich immer noch zusammengerollt in der Hand hielt): Dieses Buch ist der Roman, den sie hätten schreiben sollen!«
Ich konnte nicht glauben, was ich hörte, dies sollte der Grund für die Drohungen sein?
»Haben sie meine letzten Geschichten nicht gelesen? Ein haariger Heiligabend , Best of... , schöpfe ich da etwa nicht Abseitiges, wie sie sagen, aus dem Alltag? Und überhaupt, wo waren sie denn bei der Lesung? Ich habe sie nicht gesehen!«
K. nippte an seinem Glas und sah mich mit schräg gelegtem Kopf an.
»Ich war dort, wo ich seit vielen Jahren in ihrem Leben gewesen bin: im Hintergrund. Und schauen sie sich ihre Reaktion an, sie wissen, dass ich recht habe! Wie viele Jahre kündigen sie schon diesen Horrorroman an, der am Niederrhein spielt? Was gelten ihnen schon diese kleinen Geschichten? Ich habe sie damals gehört, wie sie meiner Schwester davon vorgeschwärmt haben, Romane zu schreiben. Ich sage es ihnen, sie haben ihre Wurzeln verloren, deswegen bekommen sie nichts mehr hin!«
K. griff nach der nahezu leeren Flasche und goss lächelnd auch mir nach. Er genoss es sichtlich, mir seine Sicht der Dinge darzulegen. Wie lange hatte er wohl an seinen Worten gefeilt?
»Selbst im Nebenraum im Heimatstübchen«, fuhr er fort, »konnte ich an ihrer Stimme hören, wie gut sie sich mit diesen verwurzelten Geschichten fühlen. Und was ich ihnen jetzt biete, ist das, was sie brauchen! Meine Aufzeichnungen, mein Ich-Erzähler, der sie zu ihren Wurzeln zurückführt. Wissen sie, ich kenne sie gut. Ich habe alles von ihnen gelesen, was sie je geschrieben und veröffentlicht haben. Ich kenne sie vielleicht besser, als sie selbst. Denn für sie waren diese Worte immer selbstverständlich, ich musste sie mir erst erarbeiten. Und wissen sie was, das hat wirklich Spaß gemacht, diese Figur zu erfinden. Ich hatte so die Idee, ich erschaffe einen Menschen, der so ganz anders ist als der Sammler. Zurück zu meinen Wurzeln. Getrieben wie ich früher. Nichts hat er im Griff. Zudem war ich mir sicher, das würde ihnen gefallen. Vor allem, da meine Aufzeichnungen an Orten spielen, die sie kennen. Ich war mir sicher, dies bringt eine Seite in ihnen zum Schwingen, die sie schon länger nicht gespürt haben.«
K. hob sein Glas und prostete mir zu: »Und das ist der Grund, warum ich einen gelinden Druck auf sie ausübe. Sehen sie mich einfach als ihnen wohl gewogener, dennoch gestrenger Mentor an. Und in dieser Eigenschaft verlange ich von Ihnen: Nehmen sie sich meiner Aufzeichnungen an, korrigieren sie, redigieren sie, wenn sie meinen, es sei nötig. Das ist mein Angebot an sie: Veröffentlichen sie meine Aufzeichnungen unter ihrem Namen, meinen Namen und Beitrag muss niemand erfahren, und sie werden nie wieder von mir hören und ich vergesse, wo ihre Eltern wohnen. Sie werden sehen, der Erfolg wird ihnen wieder Lust machen auf das nächste größere, in ihrem Leben verwurzelte Projekt!«
Ich hatte genug gehört und gesehen, ich wusste, hier waren aller Worte zu viel. Der Mann war auf einer Mission, er war überzeugt. Ich setzte mein Glas mit Nachdruck auf der Bar ab.
»Sie sind irre, und sie handeln nicht in meinem Sinne!«, rief ich aufgebracht und ging Richtung Treppe. »Der Sammler war eine Idee, die ich verworfen habe, weil mir diese Idee nicht mehr gefiel. Sie gefallen mir nicht. Und wenn sie nicht aufhören, mir und meiner Familie zu
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