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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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Materialität der Sprache.
    Warum also sollte ich schreiben, dass mir die Unscheinbare einen Bierdeckel mit ihrer Telefonnummer überreicht hat, wenn es diesen Bierdeckel, ja, wenn es diese Unscheinbare nicht wirklich gegeben hätte, also immer noch in irgendeiner Form gibt? Wenn sie wirklich nur eine Ausgeburt meiner Phantasie, ein Traumgespinst wäre?
     
    2.
     
    Nein, nein, alle diese Zweifel, dass es auch anders sein könnte, sind absurd. Und ich weiß dies ja auch. Das ist wie auf der Autobahn, als ich ständig das Gefühl hatte, dass sich da jemand hinter mir auf dem Rücksitz befindet. Jemand Unsichtbares, nein, nicht gänzlich unsichtbar, denn manchmal, wenn ich mich schnell umdrehte, glaubte ich einen schwachen, schattenhaften Umriss einer Gestalt auf dem Polster zu erkennen. Manchmal war mir, als sähe ich eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Es war beunruhigend, gespenstisch, unheimlich. UuuuuuuhHH! Grusel! Grusel! Ich dachte, jetzt hat mich diese ganze Alpträumerei beinahe so weit gebracht, dass ich an Geister glaube.
    Natürlich war ich nur übermüdet gewesen, ich glaubte ebenso wenig an die Existenz von Gespenstern, wie ich an die Scheinhaftigkeit der Unscheinbaren glaube. Aber dennoch beruhigte es mich, anzuhalten, und auf dem Rücksitz nach dem Rechten zu sehen, genauso wie es mich jetzt beruhigt, all diese Seiten, die ich in der letzten Zeit geschrieben habe, nochmals zu lesen, auf diesen Blättern zu lesen, dass mir die Unscheinbare ihre Telefonnummer gegeben hat und ebenfalls, dass ich begonnen habe, von ihr zu träumen.
    Ich denke, ich mache mir einfach nur zu viele Gedanken. Ich denke, ich habe meine Aufzeichnungen zu lange vernachlässigt. Denn in den Tagen nach meiner Lesung bin ich nur ziellos durch die Lande gefahren. Einzig zum Tanken habe ich angehalten, und manchmal zum Schlafen auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte, oder selten um ein wenig Proviant zu kaufen. Apfelsaft, Knäckebrot und Buttercookies, damit kommt man schon eine Weile über die Runden. Vor allem, wenn man vor lauter Gedanken eh nicht weiß, wo einem der Kopf steht, geschweige denn, wie die Gegend oder die Stadt heißt, durch die man gerade hindurchrast.
    Eigentlich hatte ich, als ich Wuppertal verließ, mit dem Gedanken gespielt, nun wirklich den Verlegern oder Lektoren einen Besuch abzustatten. Das sollten sie mir doch mal ins Gesicht sagen, was ihnen an meinem Roman nicht passt. Aber dieses vage Ziel hatte ich, bereits als ich auf die A46 auffuhr, aus den Augen verloren. Na, wahrscheinlich war das auch besser so, wäre wohl kaum in der Verfassung gewesen, auf eine Weise aufzutreten, die der Vermarktung meines ersten Romans förderlich gewesen wäre. Außerdem hatte ich die verschmähten Kopien meines Manuskriptes eh in Wuppertal gelassen.
    Nein, ich kann mir vorstellen, dass ich in diesen Tagen kein sehr angenehmer Zeitgenosse war. Denn mit jedem Kilometer, den ich fraß, wurde dieses unheimliche, mich gereizt machende Gefühl stärker, dass ich mich zielstrebig auf einen entscheidenden Punkt in meinem Leben zu bewegen würde. So als würde ich bald an einem Kreuzweg stehen, wo es dann hieße, die rechte Wahl zu treffen. Aber dieses Gefühl hat sicherlich nur mit diesem Traum zu tun, der mich jedes Mal, kaum dass ich auf einer Raststätte irgendwo in Deutschland in meinem Auto eingeschlafen war, in seinen Griff nahm. Wie weit ich auch fuhr, ich wurde den Albtraum ebenso wenig los wie den Gedanken, dass der Traum mir etwas zu sagen hat.
     
    3.
     
    Wie gesagt, ich denke zu viel. Ich muss damit aufhören. Heißt es nicht, Träume seien Schäume. Ich sollte es nicht überbewerten, dass mich diese Traumbilder dermaßen mitnehmen. Sind einfach nicht angenehm anzuschauen. Ähnlich einem Horrorfilm. Wenn ich ins Kino gehe, denke ich schließlich, wenn es mich gruselt oder ekelt, auch nicht daran, daraus nun Rückschlüsse auf mein Leben ziehen zu müssen.
    Warum also aus billigen Schockeffekten, die man zu Genüge aus drittklassigen Horrorstreifen kennt, bedeutungsvolle Zeichen machen, die es zu entziffern gilt!
    Warum meine Zurückhaltung in Bezug auf die Schilderung dieses Traums? Worüber man nicht reden kann, soll man schweigen , schrieb Wittgenstein, und meinte damit Dinge von existenzieller Bedeutung, über die sich keine wahren Aussagen unter logischen Gesichtspunkten treffen lassen, weil sie sich nicht in Sätze fassen lassen, sondern sich vielmehr von sich selbst zeigen. Aber in diese Gruppe von Dingen gehört

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