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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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humpelte zur Treppe und stieg sie empor. Nachdem er die Haustür geöffnet hatte, hörte ich einen lauten Disput, Genaueres konnte ich nicht verstehen. Es ging um etwas, dass K. verbrannt haben soll. Dann knallte oben die Haustür ins Schloss und K. kam wieder hinunter in den Keller.
    »Mein Nachbar, der regt sich aber auch über alles auf. Was ich da denn verbrannt hätte, das hätte ja noch in einem Kilometer Abstand gestunken. Gar nichts habe ich verbrannt, nur Holz, na gut, ein wenig Abfall.« Mein Blick fiel auf die halb verbrannten Frauenschuhe und mir graute es. K. lächelte mich an ( Hat er meinen Blick gesehen? fragte ich mich), dann meinte er: »Da muss ich mir wohl mal wieder den Ofen anschauen. Der Schornsteinfeger hat eh gesagt, ich bräuchte eine neue Anlage, vielleicht noch ein Jahr, dann sähe er schwarz. Da könne er mir die Genehmigung nicht mehr guten Gewissens erteilen. Will ja keiner, dass mir alles um die Ohren fliegt!«
    Ich lachte gekünstelt, mich innerlich auf eine geharnischte Auseinandersetzung einstellend, mit meinen Füßen einen sicheren Stand suchend, und sagte dann: »Wenn ihnen so viel an mir liegt, warum bedrohen sie mich und meine Eltern dann?«
    K. lachte: »Gute Frage, nächste Frage: Was machen diese Frauenschuhe da?«
    Ich hatte sehr ausgeprägt das Gefühl, das er mit mir spielt. Er die Katze, ich die Maus. Er hatte also meinen Blick gesehen.
    »Wissen sie, ich mag einfach die Gebräuche hier. Jetzt war ja Schützenfest, leider hatte ich schlechte Tage. Ich konnte mir so gut wie gar nichts anschauen. Mit dem Rollstuhl wäre es gegangen, aber dafür war ich zu schwach. Sie hätten mich am Sonntag zum Umzug fahren können!«, sagte er dann erneut, »wenn Sie schneller gelesen hätten. Jedenfalls am letzten Tag, da ging es wieder, vielleicht haben sie ja auf dem Weg hierher noch die Reste vom Verbrennen des Kirmesmännekens gesehen. Ein tolles Fest, eine hübsche Puppe. Habe mir erlaubt, die Schuhe, die sie der Puppe angezogen haben, mitzunehmen. Als Erinnerung an das schöne Fest. Bin vielleicht manchmal etwas zu nostalgisch veranlagt, schauen sie hier...«
    K. humpelte wieder hinter die Bar, griff in die Ablage unter ihr und holte sein altes Kuscheltier hervor, den Plüschhund, den er damals im Arm gehalten hatte, und setzte ihn auf die Bar. Er streichelte den Hund.
    »Darf ich vorstellen: Hasso.«
    Klar! dachte ich, wie soll er sonst heißen. Ich war nahezu am Ende meiner Geduld, verfestigte sich doch der Eindruck in mir, dass hier mit guten Worten und Vernunft nichts auszurichten war. In Gedanken wählte ich bereits die Nummer der Polizei und legte mir meine Worte zurecht.
    »Ich hänge an den Dingen, die mir mal etwas bedeutet haben. Vergessen heißt, die Brücke hinter sich abbrechen, bevor die andere Seite erreicht ist. Wenn mir einmal etwas wichtig ist, lasse ich es nicht so schnell los. Das gilt für so einen kleinen treuer Begleiter der Kinderjahre wie Hasso genauso (er streichelte den Hund), wie für die Traditionen der Gemeinschaft, die einen von Kindesbeinen geprägt hat.«
    Dann verstaute er den Hund recht rabiat wieder unter der Bar und griff zum Glas. Er kippte den Southern auf ex, goss sich nach und ich spürte: Jetzt kommt er zum Kern.
    »Aber was interessieren sie Traditionen, was interessieren sie unsere Bräuche hier!«, meinte er dann mit verächtlicher Stimme, aufgeregt mit dem Glas fuchtelnd, so dass Southern Comfort auf die Bar schwappte. »Wissen sie, früher, da hat man noch ihre Wurzeln in ihren Geschichten gespürt. Diese gewisse Heimatverbundenheit, diese Verbundenheit mit dem Ort, an dem sie leben, ob Niederrhein, Wuppertal oder Konstanz. Das hat mir einfach gut gefallen, da lag Wahrheit drin. Selbst so eine kitschige Geschichte wie »Der Zauberer in Blau« zeigte diese Verbundenheit. Aber dann: Ihr erster Roman. (K. goss sich das Glas wieder voll) Wo spielt der? Im Nirgendwo. Sie haben den Pfad des Sammlers verlassen. Der war in Wuppertal und Umgebung unterwegs. Okay, ich weiß, als sie diese Zeilen schrieben, da lebten sie noch daheim, Wuppertal war noch entfernt, aber wie ich weiß, sie hatten Verwandte im Tal, also kannten sie Wuppertal, und dann zogen sie ja auch hin, studierten dort. Die Einheit von Leben und Fiktion war hergestellt – das, was ich als Wahrheit empfunden hatte, hatten sie nachvollzogen. Doch heute? (Er leerte das Glas in einem Zug.) Wohin führt ihr Weg? Alle Geschichten im Nirgendwo. Und wie lange haben sie schon nichts

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