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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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nahe zu treten, dann wende ich mich an die Polizei!«
    »Das würde ich ihnen nicht raten!«, entgegnete er lächelnd und seinen Plüschhund streichelnd, als ich die Treppe hinaufging, »Keine Polizei, grüßen sie lieber ihre Eltern von mir!«
     
    R.B.

Siebtes Kapitel
    Die Ordnung der Dinge
      
    1.
     
    Der Bierdeckel ist weg. Gestern war er noch da. Das weiß ich genau. Oder vielmehr. Ich bin mir da ziemlich sicher. Auf jeden Fall sehe ich ihn vor mir. Meine, wenn ich an gestern denke, sehe ich ihn deutlich vor meinem inneren Auge. Deutlicher jedenfalls als den Parkplatz, auf dem ich ebenfalls gestern, bevor ich wieder einmal die Nummer der Unscheinbaren wählte, mein Auto abgestellt habe. Also kurz gesagt: Nicht nur der Bierdeckel ist weg, sondern auch mein Audi. Das ist aber nicht schlimm. Also, dass ich mein Auto nicht wiederfinde, ist nicht weiter schlimm. War bereits nahe daran, es irgendwo stehen zu lassen und mit der Bahn weiterzureisen. Alleine schon aus dem Grund, dass ich mich beim Autofahren nicht um meine Aufzeichnungen kümmern konnte und mir dies aufs Gemüt schlug. Und so gerne ich auch Auto fahre, und vor allem über lange Strecken, und wenn die Sonne scheint, war der Gestank im Fahrzeuginneren doch kaum noch auszuhalten gewesen. Von den Fliegen mal ganz abgesehen. Außerdem schien die Sonne eh kaum noch, es regnete ohne Unterlass.
    Aber dass ich den Bierdeckel verloren hab’... Beruhigend ist jedenfalls, dass ich mir sicher bin, ihn verloren zu haben. Ich meine. Wenn man etwas verlieren kann, dann gab es das auch. Hatte ihn schließlich in der Hand, gestern noch, nachdem ich die Telefonzelle verlassen habe. Und später, in dieser Kneipe, in der ich mich betrunken habe, dann auch noch mal. Hab’ ihn doch die ganze letzte Zeit vorher bei mir getragen. Folglich muss es ihn gegeben haben. Immer noch irgendwo geben. In irgendeinem Rinnstein vielleicht. Ein aufgeweichtes Stück Pappe nur noch, aber immerhin: Ein Ding mit seiner ihm ganz eigenen Materialität, seiner Dichte und Schwere, seiner Ausdehnung im Raum, ein Ding jedenfalls und nicht Nichts. Genauso wenig nichts wie meine Hand, in der ich nun den Stift halte. Genauso wirklich wie diese Aufzeichnungen vor mir.
    Nun, es ist, wie es ist. Da darf man sich nicht verrückt machen lassen. Heißt es nicht, es sei besser, sein Herz nicht so sehr an Dinge zu hängen? Ja, das ist gut. Vorausgesetzt natürlich, es gibt diese Dinge, an die man sein Herz nicht mehr hängt. Wenn ich also mein Auto einfach stehen lassen kann, warum soll ich mich über ein Stück Pappe aufregen, zumal ich die Telefonnummer ja im Kopf habe. Also locker bleiben. Schließlich habe ich alles bei mir, was ich brauche. Bargeld, meine EC-Karte, ein bisschen was zum Anziehen, Waschzeug und vor allem natürlich meine Aufzeichnungen. Die Schreibmaschine habe ich nicht mitgenommen, und so ich greife jetzt auf das noch altmodischere Handwerkszeug des Bleistiftes zurück. Mehr habe ich ja nicht eingepackt, als ich Wuppertal verließ.
    Erst bin ich ja nach der Lesung stundenlang die B7 von Schwelm bis nach Vohwinkel rauf und runter gefahren. Dann aber hatte ich das Gefühl, Wuppertal verlassen zu müssen. Also fuhr ich, nachdem ich der Kneipe noch einen kurzen Abschiedsbesuch abgestattet hatte, in die menschenleere WG, packte alles Notwendige in eine Tasche, und ab ging es auf die Autobahn.
    Und die Tasche hab’ ich glücklicherweise immer noch dabei. Die darf ich allerdings nicht verlieren. Heißt es nicht, der Mensch sei ein Mängelwesen und er bedürfe deswegen der Kultur, um zu überleben? All die Werke aus Menschenhand, mit denen er sich eine Menschenwelt herstellt, wie es so etwa Hannah Arendt ausdrücken würde. Und ja, die vielen Blätter sind mein Werk, mit ihnen schaffe ich mir eine Welt, einen festen Untergrund, auf dem, eine Heimat, in der ich leben, überleben kann. Scheint die Welt mittlerweile auch manchmal ein wenig aus den Fugen zu geraten, so zeigt sich die Ordnung der Dinge doch auf dem Papier meiner Aufzeichnungen. Mich beruhigt das. Ich schreibe, also bin ich. Davon kündet die Materialität der Zeichen hier auf dem Papier. Jedes einzelne Zeichen für sich ein Ding, das ist, und nicht vielmehr Nichts. Und erst der Zusammenhang all jener Zeichen, der ist nun wirklich alles andere als Nichts. Den kann ich herumtragen. In dem kann ich herumblättern. Wie das dann raschelt. Wie sich das lesen lässt. Ja, auch beim Lesen entfaltet sich die beruhigende Wirkung der

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