Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
thronte, langsamen, gemessenen Schrittes auf mich zu. Sie hatte ja Zeit. Ich lief ja nicht weg. Lauf weg! Lauf doch endlich weg, du Idiot! schrie es zwar in mir, aber ich war unfähig, von der Bank aufzuspringen.
Da hatten die sich wirklich was Feines ausgedacht, die Konstanzer Version des riesigen Marshmallow-Mannes aus Ghostbusters . Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass vor Imperia die Menschen nicht schreiend davonliefen (sie schienen noch nicht mal bemerkt zu haben, dass sie von ihrem Podest gestiegen war) und dass sie unter ihren Füßen keine Menschen zermalmte. Das hätte aber auch eine, nicht gerade Image fördernde Schlagzeile in der hiesigen Tageszeitung gegeben: Lichterloh brennendes Konstanzer Wahrzeichen zermantscht Touristen auf ihrem Weg durch die Stadt. Alle, die sich in der Vergangenheit gegen das Aufstellen dieser freizügigen Figur mit dem Argument: Das Standbild einer Hure inmitten des altehrwürdigen Stadtkerns ist eine Verunglimpfung der Geschichte, ja, Teufelszeug! gewehrt hatten, hätten Recht bekommen.
Nun, auch wenn ich gegen Freizügigkeit nichts einzuwenden habe, das mit dem Teufelszeug würde ich nach meinen Erfahrungen an diesem Tage zweifellos unterschreiben. Denn während ich Imperias Kommen erwartete, und damit auch mein Ende, denn schließlich galt für mich nicht, was für alle galt (ich konnte sie sehen, also konnte sie mich auch zertreten), wurde mir schrittweise mehrerlei bewusst: Ihre Brüste brannten nicht. Es hatte nur so ausgesehen. Vielmehr jonglierte Imperia mit Feuerbällen, die sie geschickt vor ihrem Körper kreisen ließ. Nein, nicht mit Feuerbällen, sondern mit denen da, die mir auf dem Acker solch einen Schrecken eingejagt hatten. Ich sah es plötzlich deutlich, und ich hörte die auch. Die ließen sich juchzend und lachend von dieser Figur, die sie zum Leben erweckt hatten, durch die flimmernde Luft wirbeln. Brennende Gestalten, die sich in den Flammen offensichtlich sehr wohl fühlten. Und so hob und senkte sich Imperias Busen auch nicht, weil sie schwer atmete, nein, auch sie lachte. Und es war kein freundliches Lachen. Beileibe nicht. Die lachten lauthals aus ihr heraus, ihre Tonlage kannte ich mittlerweile nur zu gut, es war natürlich jene des Kicherns, das ich nun schon zu oft vernommen hatte, und das ich jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, genauso wenig mehr zu hören hoffe, wie den Doors -Song.
Jenen Song, den Imperia nun anstimmte, natürlich den , bin ich versucht zu schreiben, der Wahnsinn hatte schließlich Methode, nachdem sie mit einem Sprung über die Bahngleise gesetzt hatte, welche Hafen und Marktstätte voneinander trennen. Erstaunlich leichtfüßig übrigens für eine so schwere Dame. Nicht das leiseste Vibrieren war zu spüren, kein Ton war zu hören, als ihre Füße auf dem Pflaster der Marktstätte auftrafen. Obwohl aus Stein hatte sie sich offensichtlich einiges mehr vom Charakter ihres menschlichen Vorbildes erhalten, als die Schulweisheit es sich träumen lassen würde. Stellte sie doch eines jener leichten Mädchen dar, eine jener Hübschlerinnen, mit denen sich die Konzilianten damals umtrieben, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, Reformatoren zu verbrennen. Der steingewordene Traum vom Fleisch. Und so intonierte sie The End auch in einer Mischung aus Lockung und Geringschätzung, Verderbtheit und Zartheit, mit einem unterschwelligem Girren in der Stimme, als würde sie, die Hände in die vollen Hüften gestützt, ihre kolossalen Brüste vorstrecken, um sich einem potentiellen Kunden anzupreisen. Paradoxerweise wurde ich, trotz aller Furcht, die mir in den Knochen saß, durch die Weise ihres Vortrages von Schauern der Erregung durchzogen, und beide, Grauen wie Lust, verschmolzen und kulminierten in dem Moment, als Imperia unzensiert und mit weicher Stimme Mother, I want to fuck you sang, so dass ich von der Bank aufsprang, als sich meine Anspannung sowohl in einem Schreckensschrei als auch einer Ejakulation entlud. In diesem Augenblick lachte Imperia einmal vulgär auf, und dann schleuderte sie eine dieser Flammengestalten auf eine Frau, die gerade aus einem Laden heraustrat. Die Frau begann, als die Gestalt sie traf (es sah so aus, als würde das Flammenwesen sie umarmen, ja, küssen), zu verblassen. Kichernd kehrte die Gestalt zum Rest der Teufelsbrut zurück. Ein Wimpernzucken lang hielten sich die Umrisse der Frau noch wie ein Schatten in der vor Hitze flimmernden Luft, dann verschwand sie, und zwar mit einem
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