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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gelten. Wenn schon Hauptmann, dann war Carl sein Mann. Und ins Schwärmen geriet er, wenn er auf die Lyriker Heym, Trakl und Benn oder auf die Dramen von Hasenclever, Sternheim, Wedekind und Kaiser zu sprechen kam, von denen ich keine blasse Ahnung hatte, denn Herr Stringe von der Buchhandlung war mehr für die solide Literatur, und die hörte bei ihm bald nach Fontane auf, gerade, daß er noch Dehmel, Liliencron und die Buddenbrooks gelten ließ. In der Schule hörten wir nicht einmal von denen etwas, denn genauso, wie wir im Geschichtsunterricht bei den Befreiungskriegen stehengeblieben waren, waren wir im Deutschen über Kleist nicht hinausgekommen, und daß uns Herr Hennig ausgerechnet die Hermannsschlacht zur Lektüre empfahl, konnte uns für Kleist nicht begeistern. Daß Hermann seine Thusnelda immer Thuschen nannte, fanden wir zum Schreien komisch.
    Aber vielleicht hätte Hermann Schmiedeke mich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß ich weit hinter dem Mond lebe, wenn im Bartensteiner Wochenblatt nicht von Zeit zu Zeit Gedichte eines Hermann Fabricius erschienen wären, Verse und freie Rhythmen mit schwerer Gedankenfracht, der ich nur mit Mühe zu folgen vermochte, aber von einem Wohllaut der Sprache, der mich entzückte und um den ich diesen Herrn Fabricius glühend beneidete.
    »Du hast einen Brief von der Intendanz des Schauspielhauses bekommen, habe ich gehört«, sagte Schmiedeke, nachdem er sich mir beim Heimweg angeschlossen hatte. Ich trug das Schreiben - durchaus nicht zufällig - in der Tasche.
    »Ich habe den Brief zufällig dabei.. «
    »Kann ich ihn mal sehen?«
    »Warum nicht...?«
    »Sage einmal«, fragte er, nachdem er den Brief gelesen hatte, »bist du so naiv oder so blöd, daß du nicht merkst, daß der Kerl dich furchtbar auf den Arm genommen hat? Oder glaubst du im Ernst, die warten auf einen Burschen, der nicht einmal richtig sprechen gelernt hat?«
    »Erlaube mal...!«
    »Pluster dich bloß nicht auf! Ich habe mir die Perser und auch den Schatz angesehen, und ich hätte am liebsten Scheiße geschrien. Es war grausiger Dilettantismus. Und dazu euer Astpreißisch! Mensch, in Mannheim oder in Köln hätten sie geglaubt, ihr führt den Aischylos griechisch auf.«
    »Redest du vielleicht anders?« schrie ich ihn an. »Natürlich nicht, aber ich habe ja auch nicht die Absicht, zur Bühne zu gehen. Mir fällt es schon schwer genug, die Rolle durchzustehen, die ich im alltäglichen Theater spiele.«
    »Fabricius...« grinste ich und zog mein Notizbuch mit den Versen aus der Tasche, die ich aus der letzten Nummer unseres Wochenblättchens ausgeschnitten hatte.

»so spiel ich meine Rolle, steh sie durch
und lausch den eignen Worten als ein Fremder,
und lote ihre Wirkung, oft genug bestürzt,
was in der Dunkelheit...«

    »Sowas schneidest du aus?« unterbrach er mich kopfschüttelnd.
    »Warum sollte ich nicht? Die Verse dieses Fabricius sprechen mich an. Hast du schon etwas von ihm gelesen?« »Kannst du die Schnauze halten?« fragte er.
    »Natürlich kann ich. Aber warum soll ich?«
    »Hermann Fabricius«, sagte er, »und nun denk einmal nach. Faber heißt der Schmied. Unter Fabricius stelle ich mir so was wie ein Schmiedchen vor, einen Schmiedeke vielleicht...«
    »Mensch«, sagte ich atemlos, »du willst doch nicht etwa behaupten, daß dieser Hermann Fabricius...«
    »Deine Intelligenz ist umwerfend. Du kommst einfach auf alles.« Wir hatten das Heilsberger Tor passiert und näherten uns einer Seitenstraße, an deren Ende seine Eltern ein Haus in einem großen Obstgarten besaßen. - »Nun mach den Mund endlich zu«, sagte er und klopfte mir auf die Schulter, »ich biege hier ab. Hinein ins traute Familienleben. Ins pünktliche Sonntagmittag-Schweinebraten-Abenteuer. Es kotzt mich an. Zum Glück nur alle vierzehn Tage. Kennst du meinen Alten?«
    »Ich glaube nicht...«
    »Sei froh. Hoffentlich unterscheidet sich deiner von ihm.« »Ich glaube kaum, wenigstens nicht, wenn es um die Sonntagmittag-Schweinebraten-Pünktlichkeit geht.«
    »Ich muß morgen früh wieder weg. Aber wir könnten uns heute nachmittag treffen, wenn es dir recht ist...« Fabricius - ich konnte es noch immer nicht fassen: »Gern, aber wo?«
    »In der Weinstube vom >Bartensteiner Hof<. Sie haben dort einen recht anständigen Mosel...«
    »Ich kann es mir nicht leisten, dort einem Pauker zu begegnen.«
    »Mach dir doch nicht in die Hosen. Da ist am Nachmittag kein Schwanz. Und schließlich bist du in Gesellschaft eines

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