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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Erwachsenen.«
    »Da ist noch etwas«, sagte ich zögernd; »ich habe gerade noch vierzig oder fünfzig Mille in der Tasche. Das langt nicht einmal für einen Bleistift...«
    »Ihr habt doch sicherlich ein paar silberne Löffel in der Schublade, wie?« fragte er und blinzelte mich an. »Gehabt! Wir haben sie längst verfressen.«
    »Dann werde ich sehen, was sich machen läßt. Also - um drei Uhr auf dem Markt.« Er tippte mit dem Zeigefinger einen Gruß an die Stirn und ließ mich stehen. Hermann Fabricius...! Wie er auf die Frage nach den silbernen Löffeln gekommen war, machte mir kein Kopfzerbrechen. Mich bewegte nur der Gedanke, daß er vor mir sein Geheimnis gelüftet hatte und mich für einen Menschen zu halten schien, den wiederzusehen es sich lohnte. Er war mir in jeder Beziehung turmhoch überlegen. Neben ihm kam ich mir unreif und tölpelhaft vor. Für meine Gedichte konnte ich mich nur schämen. Das war schlechter Aufguß von Heines Liebesfrühling. - Seine Ausdrucksweise und seine schleppende Stimme, die ich zuerst als arrogant und abstoßend empfunden hatte, erschienen mir plötzlich genauso reizvoll und nachahmenswert wie seine Art, das Haar zu tragen. Unter Verzicht auf den Scheitel kämmte er es glatt nach hinten und ließ es über dem Nacken in einem sorgfältig ausrasierten Henkerschnitt enden.
    Zehn Minuten vor der verabredeten Zeit zog ich die erste Runde um den Markt. Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn es war zwanzig nach drei, als er mir endlich entgegenkam; aber nicht aus der Richtung, aus der ich ihn erwartet hatte, er schlenderte aus der Rastenburger Straße kommend auf mich zu.
    »Entschuldige die Verspätung«, sagte er leichthin, »ich hatte noch etwas zu erledigen.« Er langte in die Hosentasche und zog ein ziemlich dickes Bündel mit großen Scheinen hervor: »Das reicht für mehrere Pullen...« Er schob das Geld wieder ein und griff nach meinem Arm: »Also komm, das Fest kann beginnen.«
    Die Weinstube im Keller des Hotels war um diese Stunde tatsächlich leer. Wir waren die einzigen Gäste und nahmen am Ende des Lokals in einer Nische Platz, in der ich mich sicher fühlen konnte, selbst wenn es einem Herrn vom Lehrkörper einfallen sollte, hier zu einem Dämmerschoppen aufzukreuzen. Als der Ober kam, sagte der große Fabricius nichts als: »Dasselbe wie gestern gehabt.« Der Ober verschwand, Hermann Schmiedeke bot mir eine Zigarette an, und ich bewunderte sein Auftreten und die Lässigkeit, mit der er seine Wünsche äußerte. »Du scheinst hier Stammgast zu sein...?«
    »Seit einiger Zeit«, sagte er und gab mir Feuer.
    »Dir scheint es nicht schlechtzugehen. Verdienst du mit der Grafik schon so viel?«
    »Ach was«, sagte er mit einem kleinen Grinsen, »ich lebe à la Grabbe...«
    »Das mußt du mir schon erklären.«
    »Kennst du Heines Memoiren nicht? Ich meine das Fragment seiner Memoiren...«
    »Ich habe seine Gedichte und das Wintermärchen gelesen.«
    »Immerhin - das ist mehr, als ich erwartet habe.«
    Ich begann mich zu ärgern: »Du scheinst mich für ziemlich zurückgeblieben zu halten, wie?«
    »Aber nein, aber nein«, sagte er, »ich weiß, daß du lesen kannst. Das bringt man ja jedem von uns bei. Die Frage dabei ist nur, ob dich jemals ein Steißtrommler bei der Auswahl deiner Lektüre richtig beraten hat. Es kommt nämlich dabei auf die Qualität und nicht auf die Quantität an...«
    »Also spucks schon aus!« knurrte ich ihn an, denn er hatte mit seiner Bemerkung einen wunden Punkt getroffen, und allmählich brachte mich die Art, wie er mir seine Überlegenheit zeigte, in Rage.
    Der Ober kam mit der Flasche, er schenkte in das Glas des großen Fabricius einen Probeschluck, der kostete den Wein, schien zufrieden und nickte dem Ober zu. Der füllte unsere Gläser und zog sich zurück.
    »Ach ja, die Geschichte mit Grabbe. - Nun, Heine erzählt in seinen Memoiren - zur Ehrenrettung von Grabbes Mutter, von der es hieß, sie sei eine Säuferin gewesen und habe den Sohn mit Branntwein großgezogen -, daß Grabbes Mutter dem Sohn ihr kostbar gehütetes Silberzeug auf den Lebensweg mitgegeben habe. Als Heine ihm begegnete, hatte Grabbe bereits den Goliath, den großen Schöpflöffel, versoffen und sah düster in die Zukunft, da ihm nur noch einige wenige Kaffeelöffelchen geblieben waren. Und dann eine Bemerkung, wie sie eben nur Heine machen konnte: Der gute Grabbe konnte viel vertragen und er wäre nicht gestorben, weil er trank - er trank, weil er

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