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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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das längste Lied ausgewählt, das sie kannten, und noch vor der letzten Strophe («Oh the moral of the story/as you can plainly see») ging draußen die Alarmanlage aus. Angespornt von ihrem Erfolg, sangen sie noch lauter und applaudierten sich, als sie fertig waren, und die Mädchen sangen zum Schluss eine Strophe, die Arlene noch nie gehört hatte:
    Too bad
    So sad
    It sank
    The end
    Amen
    Go to bed
    Wake up dead
    With a hole in your head.
      «Sehr schön», sagte Emily. «Ich nehme an, die ist neu.»
      «Nicht ganz neu», teilte ihr Margaret mit.
      Draußen waren nur die tropfenden Dachrinnen zu hören. Das Feuer zischte und knisterte.
      «Was singen wir als Nächstes?», fragte Emily.
      «Lion hunt!», rief Justin.
      «There were three jolly fishermen!», bettelte Sam.
      Ella wollte «The Lord Said to Noah » singen, was Sarah sofort unterstützte.
      Kenneth stand am Kamin, traf eine Entscheidung und fing dann an: «In a cabin in the woods.»
      «Little old man by the window stood», fielen alle ein. «Saw a rabbit hopping by, knocking at his door.»
      Die Gebärden, die Rhythmen - Arlene war überrascht, wie gut sie sie nach all den Jahren noch kannte, wie vertraut und beruhigend der Feuerschein war, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Verstohlen betrachtete sie die leuchtenden Gesichter ringsum, wohl wissend, wie sehr das Ganze Henry gefallen hätte, und plötzlich hatte sie das Gefühl, eine von ihnen zu sein, dazuzugehören. Die Liste, der Fernseher, die Kommode - jetzt begriff sie, warum ihr das so albern vorgekommen war. Das hier war alles, was sie wollte.
     
     
* 17
     
    «Nehmt euch auf der Treppe in Acht», warnte Emily die Kinder. «Und du kümmerst dich um das Feuer?», fragte sie Ken - überflüssigerweise, fand Lise.
      Sie wusste, dass es ungerecht war, sich über alles zu ärgern, was Emily sagte, und dass das Ausmaß und die Hartnäckigkeit ihrer Geringschätzung Ken vor ein Rätsel stellten, als müsste sie zu Emily höflich sein, weil es keinen unmittelbaren Grund zum Ärger gab. Ken war wie ihr Vater, der sich wünschte, dass alles harmonisch verlief, sich beim geringsten Anzeichen von Unstimmigkeiten zwischen Lise und ihrer Mutter in sein Arbeitszimmer zurückzog und später den Kopf zur Tür herausstreckte, um zu sehen, ob sich das Gewitter verzogen hatte.
      Oben trampelten die Kinder über den Boden, die Badezimmertür ging zu, und das Wasser lief. Ken hatte sich aufs Sofa gesetzt, um mit Lise auf das Feuer aufzupassen. Sie hielten sich an den Händen, Arlene still wie eine Anstandsdame in der anderen Ecke des Sofas. Meg röstete ein letztes Marshmallow. Draußen regnete es ununterbrochen, endlos, und Lise dachte unwillkürlich an den nächsten Tag, an neue Ausreden, um wegzufahren, an Besorgungen, die gemacht werden mussten. Die Book Barn, aber sie hatte noch Harry Potter, und bei dem Stromausfall konnte sie nicht weiterlesen.
      Als das Licht ausging, hatte sie gedacht, es würde wieder angehen - wenn nicht sofort, dann doch innerhalb von ein paar Minuten, bis bei Niagara Mohawk jemand merkte, dass irgendetwas schief gegangen war. Nach der ersten halben Stunde hatte sie sich vorgestellt, dass ein herabgefallener Ast auf der Hochspannungsleitung lag oder bei einem schweren Autounfall ein Strommast umgekippt war, die Straße voller Funken und Glasscherben. Doch jetzt hatte sie sich mit der Dunkelheit abgefunden, sich den seltsamen Umständen gebeugt. Eigentlich hatte der Stromausfall den Abend gerettet. Es war noch früh, noch vor zehn, und doch kam es ihr wie Mitternacht vor. Oben lief das Wasser nicht mehr, und sie hörten das Knacken der Holzscheite und das schmatzende Knurren von Rufus' Magen.
      «Ich glaube, ich sperr ihn aus», sagte Meg.
      «Gute Idee.» Ken tätschelte Lises Hand und ließ sie dann los. «Ich seh mal nach den Kindern.»
      Er ließ sie mit Arlene allein, die in Schatten gehüllt auf der anderen Seite des Sofas saß. Lise empfand das Schweigen zwischen ihnen allmählich als unbehaglich, doch dann stellte sie fest, dass das leise Pfeifen, das sie hörte, die schlafende Arlene war. Zur Bestätigung beugte sie sich rüber und musste sich ein Lachen verkneifen.
      Als Ken runterkam, machte sie ihn auf Arlene aufmerksam.
      «Arlene, geh ins Bett», sagte er, als spräche er mit einem Kind, und half ihr in ihr Zimmer.
      «Wo ist Meg?», fragte er, als er zurückkam.
      «Raucht wahrscheinlich eine Zigarette.» Lise

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