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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Zwiebel, also schnitt sie sie in vier Teile. Um die Scheiben richtig schneiden zu können, musste sie hinsehen. Sie hielt sie mit steifen Fingern zusammen, die Klinge knirschte durch bis aufs Holz. Weißer Saft überzog das Hackbrett, und bei dem beißenden Geruch wandte Sarah das Gesicht ab. Eine vertraute Schärfe kitzelte ihre Nase und drückte ihre Nebenhöhlen zusammen, bis die ganze Luft daraus zu entweichen schien. Sie sog kühle Luft ein, aber es war schon zu spät, ihre Augen brannten und füllten sich mit Tränen, die sich in den Wimpern verfingen und dann über ihre Wangen liefen. Sie kniff die Augen zu und holte Luft. Es nützte nichts.
      Als sie den Rest in Würfel schneiden wollte, sah sie kaum was, aber das war die einzige Möglichkeit - es schnell hinter sich bringen. Schniefend ließ sie die Klinge durch alle vier Stücke gleiten, jeder Gedanke an saubere Arbeit vergessen, blinzelnd, damit sie sich nicht in den Finger schnitt. Warum war ihre Mutter bloß so gemein? Es hatte nichts mit ihr zu tun. Sarah hatte ein Leben lang beobachtet, wie ihre Mutter auf andere Leute losging, und trotzdem verstand sie es nicht. Sarahs einzige Rechtfertigung war, dass sie nichts Unrechtes getan hatte, aber sie hatte es satt, sich anbrüllen zu lassen, und irgendwann (den genauen Zeitpunkt wusste sie nicht mehr) hatte sie angefangen, ihre Mutter zu hassen, also war sie in Wirklichkeit nicht unschuldig. Statt sich kühl auf ihre Schuldlosigkeit zu berufen, verspürte sie jetzt eine Mischung aus Scham und Wut, eine schmerzliche Hilflosigkeit. Das Gefühl würde so schnell vorübergehen wie diese Tränen, aber im Gegensatz dazu war es echt.
      Sie schnitt die Zwiebel schludrig fertig und zerhackte die letzten Stücke da, wo sie hinfielen. Dann schabte sie alles in ein Schälchen und stellte es auf den Tisch, wusch sich die Hände und trocknete sich die Augen mit einem Papiertuch ab. Ihre Augen brannten wie nach dem Schwimmen.
      «Danke», sagte ihre Mutter, als wäre damit zwischen ihnen alles wieder in Ordnung.
      «Was noch?», fragte Sarah.
      «Besteck.»
      Sie zählte alles für neun Personen ab, einschließlich Löffeln, egal, ob sie welche brauchten oder nicht, und schnappte sich einen Stapel Papierservietten. Salz- und Pfefferstreuer, Mayonnaise, Ketchup, Senf, brauner Senf, Würzsoßen, Hamburgersoße, drei verschiedene Sorten Pickles.
      «Warum rupfst du nicht ein bisschen Salat?», fragte ihre Mutter, und als sie damit fertig war, sagte sie, die anderen würden vielleicht gern Tomaten essen. «Dazu brauchst du ein schärferes Messer.»
      Das weiß ich.
      Sarah hatte Geduld. Sie würde länger durchhalten als ihre Mutter. Bei dem Regen konnte sie sowieso nirgends hingehen. Sie dachte daran, Mark einen Brief zu schreiben, aber er war ihr noch einen schuldig. Die Tomate teilte sich in durchsichtige Scheiben. Sie spülte die Samen vom Brett und schrubbte es mit einem Schwamm ab.
      Als die Hamburger schon fast fertig waren, sprang an der Decke piepend der Rauchmelder an. Tante Lisa schaltete ihn mit einem Besenstiel aus und nahm dann die Batterie raus.
      Sarah goss die Milch ein, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Wollte von den Erwachsenen jemand Milch trinken?
      «Ich nicht», sagte ihre Mutter.
      Sie musste auf die Veranda gehen, um zu fragen. Niemand wollte welche.
      «Was kann ich sonst noch tun?», fragte Sarah, so freundlich sie konnte.
      Ihre Mutter betrachtete ihr Werk. «Wir brauchen noch Servierlöffel für den Krautsalat und den Kartoffelsalat, sonst dürften wir alles haben.»
      Nichts wurde einem leicht gemacht. In der Schublade lagen keine großen Löffel. Sie musste welche aus der Geschirrspülmaschine holen. Während sie danach suchte, sagte ihre Mutter: «Rufus muss noch gefüttert werden.»
      Das ist Justins Aufgabe, hätte sie am liebsten gesagt, ließ es aber bleiben, denn es wäre geschummelt. Das hier war eine Sache zwischen ihnen beiden.
     
     
* 15
     
    Mitten beim Abendessen musste Rufus sich übergeben. Er hatte an den Tellern der Kinder geschnuppert und war jedes Mal über den Verandaboden getappt, wenn etwas herunterfiel. Emily hatte gerade gesagt, er solle mit der Bettelei aufhören, als er röchelnd neben Kenneths Stuhl stehen blieb, den Hals reckte, den Kopf hängen ließ wie ein Pferd und dann stumm eine gelbe Masse hervorwürgte.
      «Iiih!», riefen die Jungs vorwurfsvoll und deuteten mit dem Finger darauf.
      «Bringt ihn

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