Abschied von Chautauqua
durch die Fliegentür gesprungen. Ken gab sich dem Rhythmus ihrer gemeinsamen Erinnerungen hin, froh, nicht darüber reden zu müssen, worauf ihr Leben zusteuerte. Ihm fiel ein, wie sie sich nachts immer oben unterhalten hatten, wie Megs Stimme vom anderen Bett herübergedrungen war, bis ihre Mutter die Treppe raufkam und sagte, es sei Schlafenszeit. Heute Abend fand bloß eine weitere Fortsetzung dieses ständigen, lebenslangen Gesprächs statt.
«Der Gedanke», sagte er, «dass es endgültig vorbei ist, kommt mir seltsam vor. Letztes Jahr hab ich gedacht, wir sollten nicht herkommen ...»
«Er hat es so gewollt.»
«Sie hat es so gewollt. Es war furchtbar. Ich hab die ganze Zeit nur daran gedacht, dass er im Krankenhaus liegt. Sie wollte uns bloß nicht dahaben, weil es für sie schwerer gewesen wäre. Tja, knallhart. Und dieses Jahr denke ich: Wohin fahren wir nächstes Jahr? Ich kann mir nichts Schönes leisten. Ich verstehe nicht, warum sie denkt, sie müsste es verkaufen.»
«Sie würde nicht allein herkommen.»
«Sie wird nicht allein sein. Arlene wird bei ihr sein. Arlene gefällt es hier.»
Meg wurde langsam laut, und Ken warf einen verstohlenen Blick zur Tür seiner Mutter. «Sie braucht das Geld.»
«Wie viel Geld braucht sie? Weißt du, wie viel sie dafür gekriegt hat?»
«Sie hat dreihundertfünfundzwanzigtausend gefordert.»
«Sie hat bestimmt mindestens dreihunderttausend gekriegt. Wozu braucht sie so viel Geld?»
Trotz ihrer unzähligen Rechtfertigungen am Telefon hatte seine Mutter ihm nie den genauen Grund genannt, nur dass Ken und Meg nicht in der Lage seien, das Haus zu übernehmen, und sie kein Recht habe, es ihnen aufzuhalsen. Allein die Steuern würden sie ruinieren. Er hatte ihr geglaubt, so wie er jetzt Meg glaubte.
«Hast du mit ihr gesprochen?», fragte er.
«Du glaubst, sie würde auf mich hören? Ich bin ihr nicht clever genug, um mich um so was Wichtiges wie Immobilien kümmern zu können. Und du weißt ja, wer ihr ganzes Geld angelegt hat - Dad. Er hat das ganze Geld verdient, und auf einmal ist sie das große Finanzgenie. Das macht mich wahnsinnig. Bis letztes Jahr hab ich unsere ganzen Geldangelegenheiten erledigt und bin damit ganz gut zurechtgekommen.»
«», äffte er sie nach.
«Ich weiß - ich fange schon an, so zu reden wie sie. Ich höre, wie ich irgendwas zu Sarah sage, und denke plötzlich: Oh, Scheiße .»
«Das ist wie in einem Horrorfilm, du verwandelst dich in sie.»
«Warum hasst sie mich dann immer noch?»
«Sie hasst dich nicht.»
«Bloß das, was ich verkörpere, was auch immer es ist. Egal, das nervt.» Sie suchte auf dem Fußboden nach ihren Zigaretten und stand zu seiner Überraschung auf. Früher hätte sie sich einfach hier eine angezündet und den Zigarettenstummel in den Kamin geworfen. «Komm», sagte sie und führte ihn durch die Küche in den Regen hinaus, dann in die Garage, wo es feucht war und bedenklich nach Benzin roch.
«Wir sollten das Feuer nicht unbeaufsichtigt lassen.»
«Kiffst du noch?», fragte sie und stopfte eine Pfeife.
«Darfst du das überhaupt?»
«Es ist Arznei», sagte sie und reichte ihm die Pfeife.
Er kannte das Zeremoniell von der High School, von Dachböden und Kellern und Autos, von Konzerten, die wie Meilensteine gewesen waren, und dann vom College, aus Wohnungen mit verschlissenen, wild zusammengestellten Möbeln, mit Fernsehern, die man mit der Klemmzange anstellen musste. Dreh das Rädchen, kipp das Feuerzeug, und schon neigt sich die Flamme, wie Candy Com in verschiedene Farben unterteilt. Atme die brennende Blume ein, die Blätter verdampft wie der Dschungel unter Napalm, das Gehirn eine Karte verlorener Kolonien. Ein Zug, und er war wieder dort, dieser seltsame Augenblick der Zukunft eine Vision, seine Schwester ein alter Geist, der gekommen war, um ihn vor etwas zu warnen.
«Das ist lange her», sagte er und reichte die Pfeife zurück.
Der dunkle hintere Teil der Garage war aus Linien und Winkeln aufgebaut, die er noch nicht bemerkt hatte. Er dachte an Tracy Ann Caler, daran, wie wenig Platz man brauchte, um eine Leiche zu verstecken, und stellte überrascht fest, dass er wie ein Mörder dachte.
Er hustete und konnte nicht mehr aufhören, als hätte er eine Allergie.
Meg machte den Kühlschrank auf und reichte ihm ein Bier. Es lag kühl in seiner Hand,
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