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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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nach draußen», befahl Arlene, und Kenneth sprang mit dem Teller in der Hand auf und packte ihn am Halsband.
      «Böser Hund!», schimpfte Sam.
      «Er ist schon in Ordnung», sagte Emily, «er ist kein böser Hund», denn sie wusste, wo das Problem lag. Er war menschliche Nahrung nicht gewohnt, und die Kinder hatten ihm den ganzen Nachmittag Chips zu fressen gegeben. In dem Erbrochenen sah sie unverdaute Kügelchen seines Trockenfutters.
      Kenneth sperrte ihn aus, und Rufus stand an der Tür und schaute zu ihnen herein.
      «Ist ja gut», tröstete ihn Emily und ließ ihren Teller stehen. «Ich kümmere mich darum», sagte sie zu Kenneth. «Setz dich und iss dein Abendessen.»
      Arlene stand auf.
      «Ich mach das schon», beharrte Emily.
      «Ich esse jetzt nicht mehr hier draußen», sagte Arlene, als stünde das außer Frage.
      «Ach, ich bitte dich», sagte Emily, doch als sie mit den Papiertüchern herauskam, waren alle ins Wohnzimmer geflüchtet. Rufus stand an der Tür und sah zu, wie sie die Schweinerei aufwischte.
      «Also wirklich», sagte Emily. «Man könnte meinen, es wäre giftig.»
      Sie wischte die Dielen ab und warf das Knäuel in den Müll, wusch sich die Hände und kehrte zu ihrem Platz zurück.
      «Geht's dir wieder besser?», fragte sie Rufus. «Vermutlich schon.»
      Sie machte ihm die Tür auf. Er sah sie schuldbewusst an und schnupperte dann an der Stelle, die sie sauber gemacht hatte, bis sie ihm sagte, er solle sich hinlegen.
      Sie hatte gerade angefangen, ihren Krautsalat zu essen, als Ella mit ihrem Teller herauskam, und dann auch Sarah. Sie setzten sich und aßen, als wäre nichts passiert.
      «Zwei tapfere Heldinnen», sagte sie.
      «Ist doch bloß Kotze», sagte Ella.
      «Die anderen sind Schlappschwänze», pflichtete Sarah ihr bei.
      Emily rechnete damit, dass auch Kenneth und die Jungs wiederkommen würden, doch irgendjemand hatte den Fernseher angeschaltet. Es machte ihr nichts aus, und es hätte ihr auch nichts ausgemacht, allein hier draußen zu sitzen, um Rufus ihre Loyalität zu beweisen und für gesunden Menschenverstand einzutreten. Dass Ella und Sarah ihr zu Hilfe gekommen waren, vergrößerte bloß ihre Freude. Sie war froh, so mutige Verbündete zu haben.
     
     
* 16
     
    Emily konnte manchmal eine richtige Nervensäge sein. Arlene wusste, dass man das auch von ihr, der griesgrämigen alten Lehrerin, dachte, doch alle ihre Lehrerkollegen hatten Humor gehabt. Eine Geheimwahl ! Arlene hätte Emily am liebsten ein leeres Blatt gegeben, wusste aber, dass sie dann gekränkt wäre. Henry hätte das Ganze albern gefunden, hätte es so eingerichtet, dass er nicht da wäre, wenn Emily die glücklichen Gewinner bekannt gab.
      Ihr war immer noch nichts eingefallen. Sie bekam den Fernseher, auch wenn sie ihn nicht brauchte. Die Frisierkommode vielleicht, aber das war irgendwie unbefriedigend. Sie fühlte sich schläfrig, weil sie den ganzen Tag drinnen gewesen war, ans Haus gefesselt, und die stickige Luft sie betäubte. Der Regen, der zu Hause so tröstlich war, warf hier eine verschwommene Ziellosigkeit über den Tag. Es kam ihr vor wie an einem Montag, das Gefühl, nichts geschafft zu haben, die Aussicht, noch lange nicht fertig zu sein.
      Sie versuchte zu lesen, doch der Fernseher störte sie ständig, die lebhaften Dialoge übertrumpften die gedruckten Worte und lockten Arlene gegen ihren Willen an wie der Ausrufer eines Kuriositätenkabinetts. Das Wohnzimmer war voll, alle trugen Pullover. Die Kälte und Dunkelheit hatten sie ins Haus getrieben, und um die Kinder bei Laune zu halten, hatten sie einen Kompromiss geschlossen und sich für einen Dauerbrenner entschieden: Der dritte Mann. Der Film war ein Muss für Regentage, eine Art Rätsel für die Kinder geworden, und sie machten einander auf die inzwischen offensichtlichen Kunstgriffe aufmerksam, die sie aus Zeichentrickfilmen kannten. Im Lauf der Jahre hatte Arlene ihn mindestens zehnmal gesehen, den eintönigen Zithermusikpart von Chautauqua. Die Jungs saßen in den Film vertieft auf dem Fußboden. Die Schauspieler mussten sich gegen die Geschirrspülmaschine behaupten, die in der Küche ratterte. Kenneth richtete ein Feuer her, er stellte das Kamingitter zur Seite und stopfte zusammengeknülltes Zeitungspapier unter den Rost. Später würden sie zur Feier des Tages Marshmallows rösten und Smores machen. Arlene setzte sich in eine Ecke des Sofas, neben ihr Lisa, der es

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