Abschied von Chautauqua
war.
Der große Saal, für Hunderte von Gästen gedacht, war leer bis auf ein paar Fenstertische, an denen hauptsächlich Frauen in ihrem Alter saßen, doch am Nebentisch hämmerte ein Baby in einem Hochstuhl mit dem Löffel auf sein Tablett.
«Könnten wir diesen Tisch bekommen?», fragte Emily und deutete auf einen Tisch weiter hinten, und der Oberkellner nahm wieder die Speisekarte, die er gerade hingelegt hatte. Die Mutter des Kindes folgte ihnen mit dem Blick, als sie vorbeigingen.
Schließlich hatten sie sich niedergelassen und ihre Handtaschen auf die niedrige Fensterbank gelegt. Die Aussicht war genauso wie auf der Veranda. Die Brücke ragte über ihnen empor, die Lastwagen sahen aus wie fliegende Reklametafeln. Das Gelb hier drin war fröhlicher, durch die Kronleuchter und Wandlampen in ein warmes Licht getaucht. Das Silberbesteck war angenehm schwer, die Griffe mit Monogramm versehen und eingekerbt, doch die Gravur war vom vielen Spülen abgeschliffen. Auf der Speisekarte stand frischer Flussbarsch, ihr Leibgericht. Ein Kellner in weißer Jacke stellte ein eisgekühltes Butterschälchen auf den Tisch, riesige Stücke, auf denen in Schreibschrift der Hotelname eingeprägt war.
«Ich glaube, der Teppich ist neu», sagte Emily.
«Mir gefallen die Topfpalmen.»
«Tut mir Leid, dass ich einen anderen Tisch genommen habe, aber dazu war ich nicht aufgelegt.»
«Ist schon in Ordnung.»
«Ich weiß, es ist schrecklich, so etwas über seine eigenen Enkel zu sagen, aber manchmal haben sie wirklich keine Manieren. Sie sind verzogen. Ich kann kaum glauben, wie viel ihre Eltern ihnen durchgehen lassen. Siehst du das auch so, oder sauge ich mir das bloß aus den Fingern, denn mir kommt es so vor?»
«Alle Kinder sind so», sagte Arlene, bemüht, ihr nicht zu widersprechen. Dieselbe Klage hörte sie jedes Jahr und wusste, dass sie sich besser nicht darauf einließ, um Emily nicht gegen sich aufzubringen. «Besonders wenn mehrere zusammen sind. Sie haben ihre eigene kleine Welt, und dann ist man der Eindringling, die Autoritätsfigur, die ihnen sagt, was sie nicht tun dürfen.»
«Das ist die Aufgabe ihrer Eltern, aber ich habe nicht gesehen, dass sie ihr nachgekommen sind. Ich habe kein einziges Mal gesehen, dass sie mit den Kindern gespielt haben, und Sam hat heute Morgen erst nach elf sein Frühstück bekommen, weil seine Eltern nicht gestört werden durften. Wahrscheinlich sollte ich mir darüber gar keine Gedanken machen.»
«Natürlich solltest du das», sagte Arlene.
Sie sah nach, ob auf dem Tisch ein Aschenbecher stand, musste aber wie so oft enttäuscht feststellen, dass im ganzen Saal das Rauchen verboten war. Sie brach ein Brötchen auf - eiskalt -und hielt den Korb Emily hin, die jetzt darüber klagte, dass Kenneth und Lisa von der Arbeit ausgebrannt seien und ihre Prioritäten durcheinander brächten. Das meinte sie nicht völlig ernst, doch es war auch keine leere Kritik. Arlene konnte Emilys Abneigung gegen die beiden nicht verstehen. Sie hatte in Kenneth und Lisa stets eine jüngere Version von Henry und Emily gesehen, die Frau die wahre Triebkraft hinter der Ehe, der Mann bloß ein Mitläufer. Vielleicht stimmte das nicht. Inzwischen sprach sie nur noch ganz selten mit ihnen, und all ihre Informationen waren durch Emily gefiltert.
Der Kellner war ihre Rettung, er nannte ihnen seinen Namen, bevor er die Getränkebestellung aufnahm. Das Getränk war ein Anhaltspunkt dafür, wie Emily sich fühlte, und Arlene war froh, als sie um einen Manhattan bat. Cocktails zum Mittagessen hatten etwas Extravagantes, das sie glücklich machte. Sie bestellte einen Perfect Rob Roy, was den Kellner einen Augenblick zu verwirren schien.
«Gut gemacht», sagte Emily, als er gegangen war. «Sein Gesichtsausdruck war köstlich.»
«Wenn wir herkamen, hat meine Großtante Marthajedes Mal einen Perfect Rob Roy getrunken. Sie hat gesagt, das ist ein anständiger Drink.»
«Das stimmt auch. Ich habe bloß seit einer Ewigkeit nicht mehr gehört, wie jemand einen bestellt hat. Ich kann direkt vor mir sehen, wie der Barkeeper in einem dieser dünnen Bücher blättert. Du musst mich mal probieren lassen.»
Sie sprachen wie immer von Pittsburgh und den Veränderungen in ihrem Viertel. Sie sprachen von Politik und Schulen, öffentlich gegen privat, und von Emilys Nachbarin Marcia, die Arlene zwar vom Sehen kannte, aber mit der sie noch keine zehn Worte
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