Abschied von Chautauqua
erwischen.
Weiter, und nochmal, weiter.
Ein älteres Paar in einem umgerüsteten Kleinbus fuhr zu den äußeren Zapfsäulen, doch im Knien schirmte Ken die Kamera bereits mit dem Körper vor ihnen ab.
Als er die Kanister aufgefüllt hatte, steckte er die Kamera ein, schraubte die beiden Deckel sorgfältig zu und hob die Kanister nacheinander hinten in den Geländewagen. Während er die Klappe verriegelte, konnte er den Blick über den Platz schweifen lassen und überprüfen, wo der Mann stand, der immer noch tankte. Ein weiterer Wagen kam, nur der Fahrer, eine Frau. Ken wartete, bis sie an der innersten Zapfsäule hielt, bevor er zur Eingangstür ging.
Vor lauter Konzentration bemerkte er kaum das Flugblatt, das in Augenhöhe an der Scheibe hing. Drinnen fand er es nicht mehr seltsam, dass er so getan hatte, als hätte er es nicht bemerkt. Logisch gesehen war das für ihn kein Unterschied, jemand von außerhalb der Stadt. Er sah den Kassierer - einen Jungen, der nicht älter war als Tracy Ann Caler und gerade für die Frau die Zapfsäule einschaltete -, ging in dem Bewusstsein, dass die Überwachungskameras auf seinen Rücken gerichtet waren, zu der Wand aus Limonadenflaschen und fragte sich, ob sich am Ende des Tages jemand die Bänder anschaute.
Da waren die aufgereihten Schokoriegel, die Cheetos und Fritos, die staubigen Dosen Chef Boyardee-Ravioli. Die Beleuchtung war nicht ideal, aber das spielte keine Rolle. Er überprüfte in der Glastür der Kühltruhe, wie es hinter ihm aussah, und blickte dann zu den Zapfsäulen rüber, wo der Mann gerade die Zapfpistole aufhängte. Ken vergewisserte sich, dass er nicht mit Karte bezahlte - nein, da kam er über den Platz und zählte in aller Unschuld sein Geld ab. Ken hockte sich hin, zögerte und tat dann so, als würde er bei den aufgereihten Colaflaschen nachschauen. Er befand sich genau da, wo er sein musste. Noch sechs Bilder, vielleicht auch sieben. Genug. Er ließ die Hand in die Tasche gleiten, in der die Holga steckte, zog sie heraus wie eine Waffe, kniete dann da, holte tief Luft und horchte, ob sein Komplize zur Tür reinkam.
* 12
«Das passt da nicht», sagte Ella. «Das hab ich schon probiert.»
Sam versuchte weiter, das Puzzleteil reinzuzwängen.
«Bist du bescheuert? Das kommt da nicht hin.»
«Ist mir doch egal», sagte Sam und drückte so fest, dass es passte.
«Hör auf.» Sie wehrte ihn mit dem Arm ab, riss die Teile auseinander, legte eins in die Mitte.
Er schubste sie, und der Tisch wackelte.
«Sam!», brüllte sie und schubste zurück.
«Hört auf, ihr zwei», warnte ihre Mutter und sagte, bevor Ella sich verteidigen konnte: «Es ist mir egal, wer angefangen hat, jetzt ist Schluss. Ich will von euch keinen Ton mehr hören.»
* 13
«Sieh dir das an», sagte Lise und deutete aus dem Fenster.
Meg sah, wie ihre Mutter für Ken den Regenschirm hielt, während er den Briefkasten aussprühte. Ein Dunstschleier umhüllte den Briefkasten, trieb im Wind davon, und sie traten zurück auf die Straße.
«Na bitte», sagte Meg, «da hat er den Tag mal wieder gerettet.»
«Mein Held.»
«Wir hätten das nicht hingekriegt.»
«Ausgeschlossen», bestätigte Lise. «Außer ihrem Kenneth hätte das keiner gekonnt.»
* 14
Von der Fähre aus wirkte die neue Brücke, die sich wie auf Stelzen hoch über sie erhob, gefährlich. Unten hing Nebel zwischen den Betonpfeilern, und aus den Abflüssen ergoss sich wie ein Wasserfall schäumendes Wasser. Während Emily an dem Knoten ihres Schals herumfummelte, beobachtete Arlene, wie die Lastwagen vorbeibrausten. Der Wind blies den Regen seitwärts und peitschte den Taurus so hart, dass Arlene sich Sorgen gemacht hätte, wenn sie bei der Überfahrt nicht schon viel schlechteres Wetter erlebt hätte. Die Fähre hatte sich im Laufe ihres Lebens nicht verändert, das offene Deck groß genug für neun Autos, in den vier Ecken turmartige Glashäuschen, die so groß waren wie Telefonzellen. Im nächstgelegenen befand sich ein junges Paar, das sich umarmt hielt, während sie über das aufgewühlte Wasser fuhren. Die ganze Fahrt dauerte fünf Minuten.
«Okay», sagte Emily, die schon bereit war. Aus irgendeinem Grund musste sie ihre Handtasche mitnehmen.
«Bist du sicher, dass du bei diesem Wetter rauswillst?»
«Ach, stell dich doch nicht so an.» Emily öffnete ihre Tür, und der Wind fegte in den
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