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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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sich und wälzte sich vom Sofa, seine steifen Beine ganz wacklig. Er schüttelte den Kopf, sodass seine Ohren schlackerten, und blinzelte, bis er etwas sehen konnte, blieb mitten im Wohnzimmer stehen und machte einen Buckel, ließ einen leisen Wind fahren, tappte dann in die Küche und bellte zur Warnung. Er schnupperte an seinem leeren Wassernapf und betrachtete die Hintertür, die klappernd aufging.
      Das Licht blendete ihn. Sie kam als Erste herein, und er ging zu ihr. den Kopf gesenkt, damit sie ihn kraulen konnte, von ihren Schuhen stieg Schlammgeruch auf.
      «Da bist du ja», sagte sie. «Ich hab gehört, wie du das Haus beschützt hast, ja, Mr. Grimmig. Hast du uns vermisst? Da könnte ich wetten. Wetten, dass du den ganzen Tag geschlafen hast? Was für ein raues Leben, hm? Was für ein hartes, schreckliches Leben du hast.»
     
     
* 15
     
    «Du hast einen Brief bekommen», sagte Grandma, hielt den Umschlag hoch und riss, ihrer Mutter zugewandt, die Augen weit auf. «Muss von einem Verehrer stammen.»
      «Der ist wahrscheinlich von Mark», verkündete ihre Mutter und fing an, allen von ihm zu erzählen, bevor Sarah den Brief nehmen und verschwinden konnte. Ihre Überraschung und Unsicherheit verwandelte sich in reine Wut, sodass sie nicht wusste, wie sie sich fühlte, als sie sich oben auf ihren Schlafsack fallen ließ.
      Er hatte ihr versprochen zu schreiben, und dann hatten sie sich an ihrem letzten gemeinsamen Abend gestritten. Den ganzen Juli hatte sie auf das Postauto gewartet, vom Küchenfenster aus die Flagge an ihrem Briefkasten betrachtet, dann war sie, den Arm voller Kataloge für ihre Mutter und Zeitschriften, die noch für ihren Vater kamen, die Einfahrt raufgestapft. Sie hatte sich zügeln müssen, um ihm nicht zuerst zu schreiben. Den ganzen Tag hatte sie in Gedanken mit ihm geredet, zum blauen Himmel seinen Namen gesagt. Auf einem Handtuch am Pool der Kramers hatte sie sich kurze, einfache Briefe einfallen lassen, die manchmal nur aus einer Frage bestanden. Neben ihr auf dem Beton war eine Ameise vorbeigeflitzt, um den dunklen Fleck eines trocknenden Fußabdrucks herum, und war dann in dem Dschungel aus Gras verschwunden. Bienen waren über die Kleeblüten gekrabbelt, hatten ihre Arbeit verrichtet, während sie dalag und auf das Ende dieses und den Beginn des nächsten Tages wartete, auf den nächsten Versuch am Postauto.
      Sie hatte ihn davon abgehalten, ihre abgeschnittene Jeans aufzuknöpfen, woraufhin er ihr vorgeworfen hatte, sie hätte ihn bloß heiß gemacht, und da hatte sie ihn geschlagen und Arschloch genannt. Ihm war es nur um ihren Körper gegangen, er wollte alles haben, was er kriegen konnte.
      Er hatte versucht, sich zu entschuldigen, aber sie hatte gesagt: «Ich geh nach Hause.»
      Sie war nicht gegangen, nicht sofort (er hatte gewusst, dass sie es ernst meinte, mehr hatte sie nicht gewollt). Aber als sie nach Hause musste, hatten sie sich noch nicht richtig ausgesöhnt, und am nächsten Morgen war er schon weg gewesen, und sie hatte ihre Entscheidung überdenken und sich an die Abende erinnern müssen, an denen sie feucht und voller Verlangen nach Hause gekommen war.
      Am Pool hatte sie bloß die Zeit totgeschlagen. Auf dem Nachhausewegwar sie an seinem Haus vorbeigefahren, obwohl sie ihr Fahrrad die Stagecoach Lane hochschieben musste, damit sie die Carriage Road runterrollen konnte, als läge es an ihrem Weg. Es war eins dieser großen, perfekten Häuser, auf das ihre Mutter, beeindruckt von den Blumenbeeten, sie im Vorbeifahren aufmerksam machte. Die Einfahrt war leer, abgesehen von dem Basketballkorb, das Garagentor runtergelassen. Irgendwann hatte sie eine Zeitung gesehen, die am nächsten Tag nicht mehr da gewesen war, also waren seine Eltern zu Hause. Sie hätte sie gern zufällig getroffen und war am Samstag vorbeigefahren, aber das Haus hatte genauso ausgesehen wie die ganze Woche, vielleicht waren sie doch weg. Vielleicht kümmerte sich ein Nachbar um alles. Mark hatte nichts davon gesagt, dass sie in Urlaub fuhren. Sarah hatte sich gefragt, ob seine Mutter die ganze Zeit im Haus war und sie beobachtete.
      Die Tage waren ineinander geschlungen wie ein Schleifenmuster, dieselben Cornflakes zum Frühstück, Justin, der im Keller im Schlafanzug Pokémon Stadium spielte, ihre Mutter, die immer dieselben Fragen stellte: Ob die Kramers ihrer noch nicht überdrüssig wären? Warum sie nicht mit dem Fahrrad zur Bücherei fuhr? Ob sie Liz nicht mal

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