Abschied von Chautauqua
sie hatte die Litanei satt und fragte, ob er glaube, dass sie sich noch Sorgen machen müsse. Er ließ es hingehen, denn das bedurfte keiner Antwort. Nichts davon war neu, und nichts kränkte ihn, bloß die sinnlose Wiederholung, die Tatsache, dass sie sich im Kreis drehten.
Auf der anderen Seite des Teichs steckten die vier Spieler den Flaggenstiel wieder ins Loch und verteilten sich auf ihre Wagen.
Sie hatte noch immer die Ehre und legte den Ball in die Nähe der rechten Abschlagmarkierung.
Er trat zurück, froh, sich kurz entspannen zu können, und als sie sich nach ihrem Probeschwung zu ihm umdrehte, war er nicht darauf gefasst.
«Jetzt mal ehrlich», sagte sie, «ich will es wissen. Glaubst du wirklich, dass das Fotografieren irgendwohin führt?»
Das war eine so wichtige Frage, so beiläufig gestellt - geradezu sachlich, als hätte sie keine Meinung dazu -, dass er vor einer Antwort zurückschreckte.
«Vielleicht sollte ich es anders formulieren. Glaubt Lisa, dass es irgendwohin führt?»
Sie wandte sich wieder dem Ball zu, als erwartete sie keine Antwort, ihre Gedanken von dem Spiel in Anspruch genommen. Sie ist grausam, dachte er. Denn sie kannte die Antwort.
* 6
Arlene hatte Justin gerade erst an Margaret übergeben und wollte weiterfotografieren, als sie durch den Sucher sah, wie Ella mit einem Schrei ins Gras stürzte und ihren Schläger wegschleuderte, als wäre sie angeschossen worden. Zuerst dachte Arlene, dass Ella nur Theater spielte, doch als sie die Kamera sinken ließ, saß Ella im Gras und beugte sich schwankend und bestürzt über ihre nach oben gekehrte Fußsohle.
«Hat dich eine Biene gestochen?»
«Ja.» Ella schnappte nach Luft und bemühte sich, nicht zu schluchzen - wahrscheinlich aus Angst, in Sams Gegenwart wie ein Baby zu wirken. «Blöde Biene!», fauchte sie entrüstet.
Arlene hatte dieses mit zusammengebissenen Zähnen hervorgepresste Pathos schon bei Hunderten von Jungs und Mädchen erlebt, die sich in der Pause verletzt hatten, und wusste, dass man es ernst nehmen musste.
«Okay, suchen wir den Stachel. Du bist nicht allergisch, oder?»
«Ich glaube nicht.» Verzagt sagte Ella, sie sei noch nie gestochen worden, als hätte das ihren makellosen Ruf zerstört.
Die schwarze Spitze ragte aus der Haut wie ein Barthaar, leicht zu fassen.
Während Sam ihnen erzählte, wie er letzten Sommer gestochen worden war, nahm Arlene den Stachel zwischen beide Daumen, und er kam glatt heraus, ein winziger Dorn, zusammen mit einem Tropfen klarer Flüssigkeit, die vielleicht Gift war. «Da ist er. Lass uns Eis auf die Wunde packen.» Sie half Ella auf, stützte sie auf einer Seite, führte sie zur Veranda und bettete sie auf das Sofa.
«Kann ich ein Popsicle haben?», fragte Ella unglücklich, aber erholt.
«Natürlich.»
«Kann ich auch eins haben?», fragte Sam. Angelockt von der Aufregung, war er ihnen auf die Veranda gefolgt, noch immer den Krocketschläger in der Hand.
Margaret kam herunter, um Justins Eisbeutel wieder aufzufüllen, und sah sie. «Ist ja das reinste Kriegsgebiet», sagte sie und kümmerte sich dann wieder um ihren Patienten.
Kurz darauf erschien Lisa in T-Shirt und Jogginghose, um nach Ella zu sehen. «Ich hab gehört, es gab eine größere Katastrophe.»
Sie hockte sich hin, um Ellas Fuß zu betrachten, bedankte sich dann bei Arlene, dass sie sich um sie kümmerte, holte sich etwas aus der Küche und verschwand nach oben. Arlene konnte sich kaum vorstellen, wie warm es dort oben unterm Dach sein musste. Sie schwitzte schon irrsinnig, weil sie in der Sonne gewesen war.
Es musste daran liegen, dass Ella gestochen worden war, denn als sie in den Garten hinausschaute, schwirrten unzählige Bienen dicht über dem Gras, krabbelten über die Kleeblüten und füllten ihre Beutel mit Pollen.
Sie blieb bei Ella und blätterte im Post-Journal vom Dienstag, während die Kinder aus Schälchen ihre Popsicles aßen. Bei einem Unfall auf dem Southern Tier war eine Frau ums Leben gekommen. In Idaho wüteten Waldbrände, und über der Prärie lag eine Hitzewelle. Hier, im Schatten der Veranda, wo das Dröhnen eines Motorboots übers Wasser drang, schienen die Nachrichten mehr als zwei Tage zurückzuliegen, die Welt fern und doch - sie konnte es nicht erklären - wirklicher, als gehörte sie, während sie hier war, nicht dem normalen Leben an und wäre noch machtloser
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