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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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der Nähe der Bäume, einer der Schläge, die ihm weismachen konnten, dass er das Spiel beherrschte. Der Ball landete auf dem Boden, sprang nochmal richtig auf, rollte ziemlich weit und blieb ein gutes Stück hinter dem Knick liegen, mitten auf dem Fairway.
      «Sehr gut», sagte seine Mutter.
      «Hey», erwiderte er schulterzuckend, «es ist Dad's Fünfer.»
      «Es ist auch der Driver deines Vaters, aber ich hab dich den ganzen Tag noch nicht damit spielen sehen.»
      Auf dem Weg zu ihrem Ball entschuldigte sie sich dafür, dass sie ein Foto von ihm gemacht hatte. «Ich konnte nicht widerstehen.»
      Er sagte, das Gefühl kenne er. «Wahrscheinlich das beste Foto auf dem ganzen Film.»
      «Nein», wehrte sie kokett ab und freute sich, dass sie sich gegenseitig aufzogen.
      Mit ihr auszukommen fiel ihm nicht schwer. Nur wenn Lise oder Meg auf der Bildfläche erschienen, bekamen sie Ärger. Es war nicht bloß Eifersucht, sondern der weibliche Hang zur Kontrolle, in der Gesellschaft und in der Familie, das komplizierte Gegenstück zum Machotraum von der Unabhängigkeit, Macht durch Vertrautheit. Das war Politik auf einer gefährlichen Gefühlsebene, wo schon die kleinste Meinungsverschiedenheit als Verrat aufgefasst werden konnte, und aus reinem Eigennutz hatte er sich die Glätte eines Pfandleihers angeeignet. Selbst wenn er mit ihr allein war und sie miteinander scherzten, war ihm bewusst, wie er sich fast unmerklich in Stellung brachte, als würde er einer Königin seine Aufwartung machen.
      «Wie läuft übrigens deine Arbeit? »
      «Gut», sagte er aus Reflex und fuhr langsamer. «Ich glaube, hier liegt er irgendwo.»
      «Ich meine, es wäre noch ein Stück weiter.»
      «Das hab ich mir gedacht. Er liegt jedenfalls nah genug am Fairway.»
      Als sie in den Schatten unter den Bäumen fuhren, war es, als würden sie ein dunkles Haus betreten. Abgesehen von den verschlungenen Baumwurzeln und ein paar Moosstreifen, dem vereinzelten Stinkkohl und sonnengesprenkelten Farnkraut war der Boden bis zu den weißen Begrenzungspfählen kahl. Ken wusste, das hier war nur ein vorübergehender Aufschub. Wenn sie geschlagen hatte, würden sie in den Wagen steigen, und seine Mutter würde allmählich wieder auf das Thema zurückkommen, ihre Kritik würde sich in Verwirrung verwandeln, sein Job unbegreiflich - was er machte und warum er sich dafür entschieden hatte -, als genügte es nicht als Rechtfertigung, dass er die Rechnungen bezahlte und Geld für Materialien sparte. Seine Fertigkeiten ausbaute, wie Morgan es ausdrücken würde. Sie würde andeuten, dass Ken unrealistisch sei, würde ihn als naiv hinstellen, als Träumer. Er habe nichts Handfestes, worauf er hinweisen könne, nicht mal die Aussicht auf Erfolg. Seine Freunde von der High School seien Ärzte oder Rechtsanwälte - erschreckend viele, als hätten Krankheit und Gerichtsverfahren das Land fest im Griff -, und die älteste Tochter ihrer Nachbarn, an die sie sich noch als schreiendes Baby erinnern könne, sei fest angestellte Verlagslektorin in New York.
      Unter dem Stinkkohl lag ein Ball, versteckt wie ein Osterei, ungefähr da, wo Ken gedacht hatte. Die simple Assoziation war eine Überraschung, elementar (einen Augenblick stellte er sich Tracy Ann Calers nackten Fuß vor, um die Bäume ein Absperrband geschlungen). Er wünschte sich, er hätte genug Licht für die Holga, aber es war zu dunkel.
      «Titleist 2?»
      «Danke», sagte sie.
      Er trat zurück und sah die ganze Zeit hin, weil er Angst hatte, der Ball könnte von einem Baum zurückprallen. Sie hatte ein Siebener-Eisen dabei, packte ohne Zögern den Griff weiter unten und schlug den Ball unter den Zweigen hindurch auf das Fairway, nur ein kleines Stück hinter seinen.
      «Gut gemacht.»
      «Ich hatte Glück, weil er gut lag. Wenn er zwischen den Wurzeln gelandet wäre, hätte ich einen Ball fallen lassen müssen. Erzähl mir von dem Job, bist du in einem Fotolabor?»
      Er rief sich ins Gedächtnis, dass er aufrichtig sein und seinen Mann stehen musste. Sie konnte ihn wieder zu einem Kind machen, dem Jungen, der sie unbedingt zufrieden stellen musste.
      «Es ist solide», sagte er, «und es ist am Davis Square, direkt vor der Tür.» Er sagte es beiläufig, konzentrierte sich auf den Weg, als wäre es eine Rennbahn, und wich ihrer Frage aus.
      «Dann unterrichtest du nicht?»
      «Wenn viel Andrang herrscht, könnte ich im Herbst einen Kurs

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