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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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sich ganz natürlich zu benehmen, was auch immer das heißen mochte.
     
     
* 9
     
    Emily wusste, wie ungerecht das war, aber sie dachte unwillkürlich, dass er genauso spielte, wie er an sein Leben heranging - verwirrt und planlos, übervorsichtig, und wenn ihm etwas misslang, nahm er Risiken in Kauf, die sich nicht auszahlten, hoffte, sein Glück würde sein mangelndes Geschick aufwiegen, und wartete auf eine Pause. Während sie beobachtete, wie er seinen Ball aus dem Rough schlug, fiel ihr etwas ein, das Henry über ihn gesagt hatte, als Kenneth noch klein war: «Er erwartet, dass sich Schwierigkeiten ohne Anstrengung überwinden lassen.» Sie hatte ihn aus Prinzip verteidigt und gesagt, Kenneth sei doch noch ein Kind, doch Henry hatte es weder leichthin gesagt noch aus Enttäuschung, und im Lauf der Jahre hatte sie seinem Urteil schließlich widerwillig zugestimmt.
      Als wollte Kenneth sie widerlegen, holte er weit aus und drosch den Ball mit seinem Fünfer-Eisen aufs Grün. Sie traf ihren Ball zu tief und erwischte ein schlammiges Rasenstück, sodass der Ball nicht weit genug flog.
      Es herrschte eine dörrende Hitze, selbst unter dem festen Dach des Wagens. Ihr Eistee war inzwischen warm und dünn. Jetzt, wo die Hälfte der Löcher hinter ihnen lag, war es auf dem Platz voll. Emily konnte es nicht ausstehen, wenn der Starter die Leute am zehnten Loch anfangen ließ. Vielleicht hätten sie bloß neun Löcher spielen und dann aufhören sollen.
      Sie stieg aus, schlug den Ball mit dem Pitching Wedge aufs Grün und stieg wieder ein.
      «Gut gemacht», sagte er. Der leichte Fahrtwind war angenehm. Er parkte auf dem Weg hinterm Grün, und als sie beide nur mit ihrem Putter die Anhöhe hinaufstiegen, schwebte ringsum büschelweise Pappelflaum. Ihr Ball war auf den Grasrand gerollt, doch seiner lag noch weiter weg. Sie machte einen Bogen um seine Linie, kniete nieder, um ihre Ballmarke in den Boden zu stecken, und klopfte sie fest.
      «Ich hab mich gestern Nacht mit Meg unterhalten», sagte er beim Lesen des Grüns. «Sie überlegt immer noch, ob es eine Möglichkeit gibt, dass wir das Haus übernehmen.»
      Unwillkürlich musste sie kichern und dann laut lachen. «Dazu ist es ein bisschen spät, oder?»
      «Nein, sie meint es ernst.»
      «Das sagst du doch nicht bloß, um mich aus dem Konzept zu bringen?»
      Er hatte das Grün gelesen, trat aber einen Schritt zurück. «Ich glaube, wir würden es beide gern probieren. Wir haben zwar kein Geld, aber ...»
      «Das wäre ein Problem, oder?» Das hörte sich zu sehr nach einem Scherz an - sie wollte sich doch nicht über ihn lustig machen. «Tut mir Leid, aber die Sache steht fest. Mrs. Klinginsmith kommt morgen, um die Kläranlage zu überprüfen.»
      «Es ist noch nichts unterschrieben.»
      «Der Vertrag ist unterschrieben. Du hast bestimmt schon einmal etwas von Vertragsbruch gehört.» Sie ärgerte sich, dass er die Sache ausgerechnet hier ansprach und ihr die einzige Zuflucht vergällte. Sie drehte sich zu der Vierergruppe um, die sie vorgelassen hatte, und sah, dass die vier auf sie zukamen, ein Wagen auf jeder Seite des Fairways. «Du musst schlagen.»
      Er betrachtete es als Tadel und beeilte sich mit seinem Putt, schlug ihn weit am Loch vorbei, sagte aber nichts. Sie spielte den Ball dicht ans Loch und wollte einlochen, um ihm nicht im Weg zu sein, verfehlte aber das Ziel. Er schlug zu lasch, und sie gingen mürrisch davon und zählten ihre Schläge zusammen.
      Am nächsten Abschlag füllte er ihre Karte aus. Sie musste gestehen, dass sie sechs Schläge gebraucht hatte.
      Er hatte fünf gebraucht. «Mit zwei Schlägen aufs Grün und dann drei Pütts. Dann bin ich dran», sagte er und ging zum Abschlag, als wäre nichts geschehen.
      Er sprach nicht mehr davon, doch der Tag hatte sich verändert, der ganze Zweck dieser Woche war in Zweifel gezogen. Sie hatte die beiden immer wieder gefragt - und nicht aus Höflichkeit, sondern mit Schmerzen, trotz Kenneths und Margarets Missfallen -, ob sie die Verantwortung für das Sommerhaus übernehmen wollten, und ihre Antworten waren immer gleich ausgefallen. Sie hätten weder genug Zeit noch Geld, und nach allem, was Emily diese Woche herausgefunden hatte, ging es den beiden noch schlechter, als sie befürchtet hatte. Sie konnten das Haus nur übernehmen, wenn Emily die Steuern und die Versicherung bezahlte, aber in diesem Fall konnte es auch weiter auf ihren Namen laufen.

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