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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Darum ging es ihnen doch, nicht wahr, sie hatten die ganze Zeit gewollt, dass sie das Haus behielt.
      Warum ihr das jetzt eher vernünftig als selbstsüchtig vorkam, konnte sie nicht sagen. Vielleicht lag es an der Hitze. Sie war müde und ausgetrocknet, hätte am liebsten aufgehört und sich mit einem Gin Tonic ins Clubhaus gesetzt. Es war ein kompliziertes Thema, sie wollte nicht mit Kenneth darüber sprechen und etwas sagen, das sie später bereuen würde, deshalb nahm sie es zur Kenntnis und legte es ad acta, zögerte es hinaus, obwohl sie die ganze Zeit wusste, dass sie darauf zurückkommen musste.
      Arlene war auf der Seite der beiden, die drei hatten sich gegen Emily verbündet.
      Es war zu spät. So einfach war das. Sie war das Ganze schon durchgegangen.
      Mitten in ihrer Verwirrung brauchte sie am zwölften Loch nur einen Drive und einen Putt und erreichte ein Par. Kenneth zählte ihre Schläge zusammen und heuchelte Erstaunen.
      «Das kommt dabei heraus, wenn man übt», sagte sie. «Man wird gut.»
      «Dawären wir», sagte er. «Die Unglückszahl dreizehn. Hoffentlich hast du einen Ball dabei, der nicht untergeht.» Er öffnete den Reißverschluss seiner Hosentasche und ließ einen zweiten Ball herausgleiten.
      Das war ein alter Witz in ihrer Familie, eine Szene, die sie jedesJahr wiederholten. Emily und Kenneth waren dabei gewesen und Herb Wiseman. Es musste jetzt fünfzehn Jahre her sein. Henry hatte einen schlechten Tag gehabt, hatte drei Pütts gebraucht und sich über sich geärgert, war schmallippig von den Grüns weggefahren. Beim dreizehnten Loch war er als Letzter drangekommen. Er hatte den Abschlag ins Wasser und seinen straffreien zweiten Abschlag direkt ins Loch geschlagen. Statt beide Arme in die Luft zu werfen und einen Freudentanz aufzuführen, hatte er sich mit unbeweglicher Miene zu ihnen umgedreht und gesagt: «Das hätte ich mir denken können.» In den sechzig Jahren, die er Golf gespielt hatte, war er kein einziges Mal so dicht an einem Hole-in-One gewesen, und jetzt feierten sie das, indem sie zwei Bälle spielten.
      Auf der anderen Seite des Teichs hielten zwei Gänse das Gras kurz, wandelnde Zielscheiben. Emily blieb im Schatten, während Kenneth den Ball mit einem Sechser-Eisen weit nach rechts verzog. Die Gänse fraßen unbeirrt weiter.
      «Nur zu», sagte sie, und er legte seinen zweiten Ball zurecht.
      Sechzig Jahre, dachte sie. So viele Löcher, so oft ein Par drei in greifbarer Nähe. Es war beinahe traurig, und wenn sie jetzt noch einmal über Henrys Reaktion nachdachte - die sie alle witzig fanden und die jeden Sommer aufs Neue auf unzähligen fackelerleuchteten Veranden und Clubhausterrassen zum Besten gegeben wurde -, fragte sie sich, ob er sein Leben wirklich so gesehen, ob er mehr erwartet hatte. Er hatte sich nie beklagt, doch in reiferem Alter war er ernst und zurückhaltend geworden, war nicht mehr schneidig, sondern beharrlich, von seiner Arbeit in Anspruch genommen, der junge Mann, der er einmal gewesen war, war verborgen und durfte nur selten aus seinem Versteck. Er konnte sich so schnell in sich zurückziehen, redete mit ihr über irgendeine Haushaltsangelegenheit und war schon im nächsten Augenblick hinter der Mauer seiner Zeitung verschwunden. Ihn dazu zu bringen, dass er etwas mit ihnen unternahm, war anstrengend, obwohl jeder, der ihn mit den Enkelkindern sah, gedacht hätte, dass er gern mit ihnen zusammen war, ja sie geradezu abgöttisch liebte.
      Sie waren glücklich gewesen, trotz des Schweigens und der Meinungsverschiedenheiten, der kleinen Reibereien. Es war ihm schwer gefallen, die Kinder zu begreifen, besonders in den letzten Jahren, aber wem ging das nicht so? In jeder Familie gab es einen persönlichen Kummer, den unerfüllten Traum von einem Leben, das hätte anders verlaufen können.
      Sie stand still, während ein weißer Schmetterling an Kenneths Ball vorbeiflatterte - ein Zeichen. Das wäre für ihn der perfekte Augenblick, einen Ball zu versenken, zu beweisen, dass Henry über sie wachte und mit seinem verschmitzten Lächeln herabschaute, endlich zufrieden, in Ruhe. Sie würde es auf der Zählkarte einkringeln, die Karte für Kenneth rahmen - vielleicht auf dem Grün ein Foto von ihnen machen, zwischen ihnen die nummerierte Flagge. Sie fragte sich, ob seine kleine Kamera einen Selbstauslöser hatte.
      Er stellte sich auf, sprach den Ball an, holte aus und schlug ihn ab. Der Ball stieg auf, flog

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