Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
Vom Netzwerk:
retten.
      Er hatte ihr die richtige Linie gezeigt, sodass ihre einzige Sorge die Geschwindigkeit war. Sobald sie den Ball gespielt hatte, wusste sie, dass er reinging. Sie folgte ihm mit dem Blick, trat einen Schritt aufs Loch zu, als er hineinfiel und darin herumkullerte, das Geräusch äußerst angenehm, und ihre Erleichterung verwandelte sich in Stolz und Genugtuung.
      Auch sie hatte noch nie einen Hole-in-One geschlagen, doch deswegen musste man sich nicht grämen. Zwei Schläge war prima. Es war schon ein Geschenk, noch am Leben zu sein.
      «Richtig gut», sagte er.
      Sie sah sich nach der Vierergruppe um, doch am Abschlag war niemand.
      «Hat deine Kamera einen Selbstauslöser?»
      «Was denn, das Ding?»
      «Naja, ich weiß nicht.»
      «Wenn du willst, kann ich ein Foto von dir machen.»
      Sein Angebot war so weit entfernt von ihrer ursprünglichen Vorstellung, dass sie den Plan fallen ließ. «Darauf hab ich eigentlich keine Lust. Ich wollte, dass wir beide drauf sind.»
      «Ich mach eins von dir, und du machst eins von mir. Komm schon. Ich kann die Negative zusammenfügen, dann sieht es aus, als wären wir beide auf einem Bild.»
      Er holte bereits die Kamera, und seine Begeisterung war unwiderstehlich. Die Vierergruppe wartete. Sie ließ sich links vom Flaggenstock von ihm in Positur stellen, hielt ihren Ball und zwei Finger als Zeichen für den Birdie hoch, wartete, während er alles genau ausrichtete, und befolgte danach seine Anweisungen, als er sich auf die rechte Seite stellte und mit einer Hand die Flagge straff zog, damit man die Ziffern erkennen konnte.
      «Mach zwei», sagte er, während die Wagen der Vierergruppe zum Abschlag zuckelten.
      Sie drückte auf den Knopf, doch es passierte nichts.
      «Du musst den Film transportieren», sagte er und machte die entsprechende Daumenbewegung.
      Als sie das geriffelte Rädchen entdeckt hatte, fühlte sie sich gehetzt und wollte nur noch weg. Sie machte das Foto, und dann eilten sie davon und ließen den Schwimmball zurück, ein schäbiges Andenken.
      Im Wald war es kühler, aber voller Mücken. Hier war der Weg unbefestigt, und der Wagen holperte über frei liegende Wurzeln, sodass sie ihren Eistee mit der Hand festhalten musste. Es warteten nur noch fünf Löcher auf sie, dann würden sie vielleicht im Clubhaus zu Mittag essen und etwas Kaltes trinken. Heute früh war sie, wie schon die ganze Woche, mit dem Gefühl aufgewacht, dass sie zum letzten Mal hier sein, zum letzten Mal auf diesem Golfplatz spielen würden. Das Gefühl war immer noch da, doch seit Kenneth Margarets Wunsch angesprochen hatte, das Sommerhaus zu behalten, war es verhüllt oder abgeschwächt. Einerseits wollte sie daran glauben, dass sie nächstes Jahr wiederkommen würden, doch andererseits beharrte sie darauf, jeden Augenblick zu würdigen und angesichts des Unvermeidlichen zu bewahren. Es ist unfair von Margaret, dachte sie, unfair von allen.
      Der Rest des Weges war anstrengend, ein Gewaltmarsch, länger, als sie für möglich gehalten hätte. Am fünfzehnten Loch, einem Par fünf, nutzte sie den Damenabschlag (Henry hätte das Schummeln genannt) und brauchte trotzdem acht Schläge - der gefürchtete Schneemann. Sie waren beide ständig im Wald, im Bach, im Sand. Die Sonne stand oben am Himmel und brannte auf die Fairways herab. Emily spürte die Hitze an ihren Wangen, das Schweißband ihres Augenschirms feucht. Nach ihrem Birdie am dreizehnten Loch gelang ihr kein Par mehr, und Kenneth war noch schlechter - unberechenbar am Abschlag, danach hackte er mit seinen Eisenschlägern nach den Bällen. Es war entmutigend. Nachdem sie sich so darauf gefreut hatte, erwies es sich als eine unangenehme Aufgabe.
      «Also», sagte sie nach dem achtzehnten Loch, «ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hab genug.»
      «Es hat Spaß gemacht», sagte er. «Das hat mir letztes Jahr gefehlt.»
      «Ich weiß.» Der ganze letzte Sommer fiel ihr wieder ein - der Blick aus Henrys Zimmer, das schlechte Essen in der Cafeteria, das heiße, dunkle Haus. Sie wehrte die Erinnerung ab, zog an den Fingern ihres Handschuhs. «Mir auch.«
      Sie brachten den Wagen zurück und verstauten ihre Taschen im Auto. Emily setzte sich auf die hintere Stoßstange, zog ihre Spikes direkt auf dem Parkplatz aus. Das quastengeschmückte Paar besaß sie schon mindestens zehn Jahre, und dennoch sah es brandneu aus. Sie hatte Henry davon überzeugt, dass ihre alten

Weitere Kostenlose Bücher