Abschied von Chautauqua
suchst du?»
«Meine Taschenuhr», sagte Sarah.
Ella stellte die Teller auf den niedrigen Schrank und half ihr, zog die flache obere Schublade auf.
«Da hab ich schon geguckt», sagte Sarah und fiel ihr in den Arm.
Ella war gekränkt - urplötzlich sprachlos wie bei ihrem Bienenstich -, und zugleich schmerzte es sie zu sehen, dass Sarah so geknickt war. Egal, was passierte, es war Tante Margarets Schuld. Sie sah hinter der Zederntruhe und unter den Betten nach, bis Sarah sagte: «Vergiss es», und sie aufforderte aufzuhören.
«Tut mir Leid», sagte Sarah, was heißen sollte, dass Ella okay war, dass es an allem anderen lag.
Ella folgte ihrem Plan und wartete auf Sarahs Erklärung, aber sie sah bloß die Teller an.
«Hat das meine Mutter gemacht?»
«Das war ich.» Ella war dankbar - gerettet -, als Sarah sich bedankte und den Teller nahm. «Willst du eine Limonade?»
«Ich hol sie.»
«Ist schon okay», sagte Ella und ging, nicht bereit, Sarah gehen zu lassen.
Ihr Vater war nach Hause gekommen und machte sich in der Küche ein Bier auf.
«Wie geht's, Ella-bella?»
«Gut», erwiderte sie (er glaubte ihr, er begriff nichts), flüchtete wieder und schloss die Tür hinter sich. Sie dachte daran abzuschließen, hatte jedoch Angst, sie würden Ärger bekommen.
Sarah hatte Hunger. Sie hatte einen leichten Sonnenbrand bekommen - ihr Haar war heller, glänzender -, und während Sarah ihr Sandwich aß, sah Ella, dass sie Marks Delphinring nicht trug, rings um ihren Finger nur noch ein glatter weißer Hautstreifen. Stattdessen trug sie einen der beiden schlichten Silberringe, die Grandma und Tante Arlene ihnen geschenkt hatten, das machte sie beide zu Zwillingsschwestern.
Dann lag es an dem Brief - nicht an ihr.
Sarah tat so, als wäre nichts passiert. Ella wartete, da Sarah es irgendwann erklären musste, aber die aß bloß ihr Mittagessen. Mark hatte mit ihr Schluss gemacht, und sie war am Boden zerstört. Ella wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Sie fand es falsch, sich zu freuen.
Und dann, gerade als Sarah abbeißen wollte, hielt sie inne, betrachtete ihr Sandwich und hielt es hoch, als hätte sie etwas Interessantes entdeckt. «Du schneidest es so, wie ich es gern habe.»
«Ja», sagte Ella, froh, dass Sarah es bemerkt hatte, dass diese Kleinigkeit ihre Laune aufbessern konnte. «Und ich weiß auch, dass du diese Chips magst, also ...»
Sarah lachte. «Du bist so geil!»
Ella dachte, der Schock, dass es laut ausgesprochen wurde, stünde ihr im Gesicht geschrieben, ihr knallroter Kopf würde sie mit Sicherheit verraten. Ella wusste, dass Sarah sich bloß bedanken wollte, doch sie hatte ihre Reaktion nicht unter Kontrolle. Sie lachte, stimmte ihr zu und hätte sich fast an einem unzerkauten Bissen verschluckt.
«Ich weiß.»
* 11
«Ihhh! Bäh!», schrie Emily, taumelte vom Briefkasten auf die Straße zurück, wedelte mit den heißen Briefen und ließ sie dann fallen, stieß sie mit dem Fuß auseinander, um die Ameisen zu vertreiben. Sie schlug sich auf die Arme und spürte immer noch, wie die Ameisen auf ihr herumkrabbelten, drehte die Handgelenke, um sie sich anzusehen, und kam sich schließlich dumm vor, wie sie da mitten auf der Straße stand, Zielscheibe des Spottes.
Sie hatte Kenneth gebeten, sich darum zu kümmern. Offensichtlich hatte er die Aufgabe nicht erledigt.
Die Sonne brannte auf sie herab, eine zusätzliche Belastung für ihre Geduld. Sie sehnte sich nach der Dusche oder einem Bad im See. Der halbe Tag war schon vorbei, und noch wartete die unangenehme Aufgabe auf sie, mit Margaret zu sprechen.
Sie bückte sich und hob mit spitzen Fingern die Briefe auf - alles uninteressante Werbeprospekte. Die Ameisen rannten vor Angst im Zickzack davon. Sie trat so viele wie möglich tot, ließ die Klappe offen und ging direkt zur Garage. Diesmal würde sie sich selbst darum kümmern.
* 12
Sein Vater kam langsam zum Straßenrand und signalisierte Sam, dass er anhalten sollte.
So wie er sich bewegte, dachte Sam, Justin hätte gepetzt, dass er mit der Kastanie nach Rufus geworfen hatte. Er machte eine Vollbremsung, riss die Lenkstange herum, legte sich in die Kurve, ließ den Hinterreifen herumschleudern und kam direkt neben ihm zum Stillstand.
«Das Mittagessen ist fertig», sagte sein Vater.
Sam stieg ab, ging neben ihm her und schob das Fahrrad
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