Abschied von Chautauqua
Margaret gewusst?», fragte sie, vergewisserte sich, dass die Kellnerin nicht kam.
«Was denn?»
«Was denn. Das mit der Trinkerei.» Noch deutlicher konnte sie nicht werden.
Er musste über die Antwort nachdenken, was ja bedeutete.
«Damals nicht», sagte er.
«Dann hast du es also gewusst.»
«Ich wusste, dass sie Probleme hat, aber ich wusste nicht genau, was für welche. Sie hat eine Menge durchgemacht.»
Das ist edel von ihm, dachte sie, aber unangebracht, zu spät. «Sie hat dir nicht gesagt, dass sie in die Reha geht?»
«Nein», antwortete er, und sie glaubte ihm. Es sah Margaret ähnlich, die schlechten Nachrichten zu verkünden, wenn es für alle zu spät war, ihr zu helfen. Das betrachtete sie als Unabhängigkeit.
«Ich glaube aber, dass es ihr ziemlich gut geht», sagte er. «Viel besser als letztes Jahr.»
Emily stimmte ihm mit den üblichen Vorbehalten zu, denn sie wusste, bei Margaret war alles vorübergehend, flüchtig, eine Krise zog die nächste, noch heftigere nach sich, und alles wuchs ihr über den Kopf. Emily konnte sich vorstellen, wie sich die beiden bemühten, das Sommerhaus nach dem Tod ihrer Mutter über Wasser zu halten, sah die geplatzten Schecks und undichten Decken vor sich.
Sie hatte nicht beabsichtigt, dass all das ihnen ihre letzte gemeinsame Golfpartie verdarb. Sie überlegte, ob sie sich zur Belebung noch einen Drink bestellen sollte, doch sie hatte ihren Caesar's Salad schon fast aufgegessen, und Kenneths Glas war noch halb voll. Sie musste sich ein Thema einfallen lassen, das sie beide froh stimmen, beide unversehrt lassen würde.
«Na», sagte sie, «Ella ist wegen der High School wohl schon ganz aufgeregt», und er war froh, das Thema wechseln zu können.
Er bestand darauf zu bezahlen. Aus Höflichkeit widersprach sie, gab dann aber nach und versprach, das nächste Mal die Rechnung zu übernehmen. Er nahm ein Pfefferminzbonbon für sie mit, und sie traten in die atemberaubende Hitze hinaus. In dem geschlossenen Wagen herrschte der vertraute Geruch von heißem Kunststoff, eine Flut von Sommererinnerungen zog vor ihrem geistigen Auge vorbei, die Rückkehr vom Schwimmclub mit den Kindern, die endlose Fahrt nach Westen, Henrys alter Chevy mit seinen zweifarbigen Sitzen und den Gurtschnallen aus rostfreiem Stahl, die so gefährlich waren wie Brandeisen.
Kenneth schaltete die Klimaanlage ein, die Kühle mit ihrem unwillkürlichen Geruch von Schläuchen und Gefrierschutzmittel setzte die Erinnerung außer Kraft. Auf der anderen Straßenseite, hinter dem spitzen schmiedeeisernen Zaun, standen die neuen Häuser mit Eigentumswohnungen, die das Institut errichtet hatte - identische Stadthäuser mit buttercremefarbener Vinylverkleidung und mintgrünen Plastikfensterläden. Der Rasen war unecht, offenbar Rollrasen, und Emily dachte bekümmert, dass Arlene es sich nicht einmal leisten konnte, sich mit ihr eine dieser scheußlichen Wohnungen zu teilen.
Emily konnte sich nicht vorstellen, im Lenhart zu wohnen, einem traurigen Überbleibsel der Vergangenheit. Lieber im We Wan Chu. Doch als sie daran vorbeifuhren, sah das niedrige Motel im Vordergrund nicht gerade einladend aus, schlecht gestrichen, ohne jegliche Anziehungskraft - und dennoch betrachtete sie es hoffnungsvoll, während es vorbeiglitt. Sie war nicht überrascht. Ihr Verstand setzte nie aus, eine Lektion von Henry. Wie armselig die Gegenwart auch aussehen mochte, es war alles, was sie hatte.
* 10
Ella wäre unheimlich gern nach oben gegangen, beherrschte sich aber. Sie musste warten, bis Sarah zu ihr kam.
Sie versuchte Zeit zu gewinnen und beschäftigte sich geistesabwesend mit dem blöden Puzzle, während ihre Gedanken von ihrem Hass auf Tante Margaret - die mit ihrer Mutter draußen auf der Veranda saß und las - zu ihrer Sorge um Sarah und dann zu ihrer Verwirrung darüber sprangen, warum Sarah sie nicht mitgenommen hatte. Es hatte nichts mit ihr zu tun, das konnte nicht sein. Diese Untreue musste ein Irrtum sein. Sarah würde alles aufklären, es mit ein paar Worten auslöschen, und dann wäre wieder alles wie vorher, sie beide ein unschlagbares Team.
Ella glaubte schon fast daran, zumindest teilweise, und setzte die Tauben vor den Füßen des königlichen Leibgardisten zusammen, aber als sie damit fertig war, kehrte das Gefühl der Verlassenheit zurück, und die Puzzleteile machten sie ratlos, waren unscharf und formlos, einfach
Weitere Kostenlose Bücher