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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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am Bug des Bootes standen.
      Ella blieb am Rand stehen und drehte sich um, sodass sie nur noch mit den Zehen auf dem Boot stand, ging dann in die Knie, schoss hoch, drehte sich in der Luft und tastete mit den Händen nach dem Wasser. Sam bekam den Salto nicht hin, konnte die Knie nicht richtig anwinkeln, damit er sauber ins Wasser tauchte. Und außerdem hatte er Angst. Seine Mutter, die neben Justin herumplanschte, klatschte und hatte beide Hände gespreizt, damit ihre Finger zu sehen waren. «Zehn Punkte!»
      Angeberei, dachte er.
      «Los», rief Ella, damit auch Sarah es ausprobierte.
      «Ich kann nicht», sagte sie, drehte sich aber lachend um.
      Sie trug ihren gelben Badeanzug, der ihre Titten zusammenquetschte, in die dunkle Linie dazwischen rannen Wassertropfen. Sam betrachtete die anderen, um zu sehen, wo sie hinschauten. Sein Blick wanderte zum Schloss im Wald, zu dem darüber hinwegbrausenden Düsenflugzeug. Wo die dunkle Linie der Brüste unter dem Stoff verschwand, krümmte sie sich und beschrieb dann einen Bogen.
      Sarah beugte die Knie und sprang, und Sam streckte die Hände aus, um das Gleichgewicht zu halten. Sie schlängelte die Arme über dem Kopf, wie Ella es getan hatte, aber statt sich in der Luft zu drehen, kippte sie halb zur Seite und landete klatschend auf dem Wasser.
      «Autsch», sagte sein Vater auf dem Fahrersitz.
      «Alles okay?», fragte seine Mutter.
      Es war nichts passiert, und jetzt kam er an die Reihe. Alle warteten auf ihn, als wären es die Olympischen Spiele.
      «Zeig, was du kannst, Champion.»
      «Sei vorsichtig», mahnte seine Mutter.
      Er hatte nichts Besonderes auf Lager und wollte keinen Rückwärtssalto probieren, weil er wusste, dass er ihn nicht beherrschte, also entschied er sich für seinen besten normalen Sprung, machte zwei Schritte und stieß sich ab, die Hände nach vorn gestreckt wie ein Pfeil. Das Wasser umschloss ihn, lief ihm in die Ohren, trug ihn dann wieder in die Sonne hinauf. Er schüttelte den Kopf, strich sich die Haare aus den Augen und kniff sich in die Nase.
      «Gut.» Seine Mutter streckte neun Finger in die Luft. «Deine Beine waren leicht angewinkelt, sonst wären es zehn Punkte.»
      Sarah und Ella waren an der Leiter. Als Sarah raufkletterte, rann Wasser aus ihrem Badeanzug. Auf dem Boot wirkte sie größer. Sie drehte ihr Haar mit beiden Händen zusammen und drückte es aus wie ein Handtuch. Im Wasser war es leichter, die anderen zu beobachten, weil man nicht so gut zu sehen war.
      «Ich schwimme einmal rundrum», verkündete Sam. Seine Mutter fragte Justin, ob er mitwollte, aber der sagte, ihm wäre kalt, und er wollte ins Boot.
      «Komm gleich wieder», befahl sie Sam.
      Die Mädchen standen noch immer am Bug. Sam schwamm vorsichtig um den Motor und den Regenbogen herum, den das Benzin auf dem Wasser hinterlassen hatte. Hier drüben war es kälter. Man konnte sehen, wo der Zaun rings um das Schloss aufhörte. Er reichte bis ins Wasser runter, damit man nicht drumherum schwimmen konnte. Sam vergewisserte sich, dass sein Vater nicht rüberschaute, wandte sich dann vom Boot ab und griff in die Tasche. Die Taschenuhr war noch da, er stieß mit den Fingern dran.
      «Alles klar da drüben?», rief sein Vater.
      Sam drehte sich nicht um, strampelte weiter im Wasser. «Ich pinkle gerade.»
      «Ups. Hoffentlich kommt alles gut raus.»
      Er wollte die Uhr rausholen, aber sie hatte sich im Stoff seiner Badehose verfangen. Beim zweiten Versuch klappte es, und er betastete den Knopf an der Seite und das Plastikband. Einen Augenblick dachte er, sie würde vielleicht auf dem Wasser treiben, eine Luftblase im Glas eingeschlossen, aber als er die Hand öffnete und losließ, ging die Uhr unter, prallte von seinem Fuß ab und war verschwunden.
      Schon wollte er sie zurückhaben und wünschte, er hätte sie nicht gestohlen. Es tat ihm Leid - die Uhr gefiel ihm. Er hoffte, dass sie noch zu gebrauchen war. Vielleicht würde sie jemand beim Tauchen finden. Angeblich war sie wasserdicht, und während er zum Bug schwamm, wo Sarah stand, stellte er sich vor, wie die Uhr mit dem Zifferblatt nach oben tickend auf dem Grund des Sees lag und immer noch lief.
     
     
* 16
     
    Das Telefon war fest installiert, sodass Emily durch das Fenster direkt hinter ihr hören konnte, wie Margaret sprach. Aus Taktgefühl ging sie mit Rufus zum Steg hinunter, beobachtete den Bootsverkehr und dachte noch einmal über Megs

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