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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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eine Zuneigung zu ihr empfand, die beide gegen Emily zusammenschmiedete. Emily war nicht neidisch auf dieses Bündnis, sie ärgerte sich darüber, fühlte sich ausgeschlossen. Sie hatte Henry so lange als Resonanzboden gehabt, als emotionalen Ballast. Jetzt, ohne einen Verbündeten, war sie in der Minderheit und allein, völlig unzuverlässig. Ihr Angebot an Margaret erschien ihr unklug, es konnte leicht als unbeholfener Versöhnungsversuch missverstanden werden.
      Margaret hatte nicht gesagt, dass sie es annehmen würde. Vielleicht würde sie es aus Stolz ablehnen. Das wäre zwar wirklich dumm, dachte Emily, doch keineswegs überraschend.
      Naja, sie hatte es versucht.
      Sie hörte Arlenes Stimme und ging zur Frisierkommode, ohne das graue Gesicht zu beachten, das im Spiegel auftauchte. Auf dem gekachelten Tablett, das Kenneth mal im Sommerlager angefertigt hatte, lag jede Menge Ramsch - verbogene Nägel, Bilderaufhänger aus Messing, dunkle Pennys und ein rostiger Nagelknipser, ein schwarzer Stromadapter, eine Glasmurmel und eine kürbisgelbe Halmafigur, verstaubte Kinokarten (EINTRITT 3,50 DOLLAR), eine von irgendeiner Chemikalie verkrustete Batterie. Sie nahm einen am Rand eingerollten Golfpass des Clubs in die Hand, der wie ein Preisschild für^irgendein Gerät aussah, die Schnur noch immer verknotet. Warum Henry ihn aufbewahrt hatte, konnte sie nicht sagen, aber mit Bleistift waren seine Initialen eingetragen und das Datum in den winzigen, präzisen Ziffern einer Zeituhr unauslöschlich aufgeprägt, nächste Woche war es fünf Jahre her. Sie konnte sich nicht an den Tag erinnern, das war eine Enttäuschung. Wahrscheinlich hatte Herb Wiseman mit ihnen gespielt. Sie würde den Golfpass behalten und den Rest wegwerfen.
      Plötzlich wollte sie alles behalten - den Spiegel, die Frisierkommode, das Haus. Sie hatte genug Geld, sie konnte einen Weg finden. Das würde alle glücklich machen.
      Sie zog die oberste Schublade auf. Zwischen der Unterwäsche lag ein Reisewecker von ihm, Krokodillederimitation, ein altes Modell zum Aufziehen, die Zeiger mit Radium bestrichen. Als Henry angefangen hatte zu arbeiten, war er damit um die halbe Welt gereist und mit BOAC nach Europa geflogen, um dort beim Wiederaufbau der Fabriken zu helfen.
      Sie schloss die Schublade. Sie hatte zu viel zu tun, um Trübsal zu blasen. Die Badezimmer mussten sauber gemacht, alle Schränke leer geräumt, der Kühlschrank abgetaut und der Backofen geschrubbt werden. Kenneth hatte in der Garage noch nicht richtig angefangen.
      Sie hätte wirklich gern ein Nickerchen gemacht, sich von der Hitze des Tages in den Schlaf wiegen lassen.
      Sie ging in die Küche, sah, dass Margaret und Arlene mit Rufus auf dem Steg saßen. Es war kurz vor fünf, und sie hatte Lust auf einen Gin Tonic, wollte aber nicht vor den anderen anfangen. Sie goss sich ein Glas Wasser ein und räumte die Geschirrspülmaschine leer, während das Eis klirrend gegen den Glasrand schlug.
      Als sie das oberste Fach halb ausgeräumt hatte, hielt sie inne und bewunderte eins der Gläser, um die Margaret sie gebeten hatte, das billige Siebdruckmuster des Autos, das Glas selbst dunkler am dünnen Rand und dem dicken, schrägen Boden. Sie fragte sich, ob sie auf den Gedanken käme, sie zu kaufen, wenn sie sie auf einem Flohmarkt sähe. Vielleicht umgaben sich deshalb so viele Frauen in ihrem Alter mit Nippsachen, ihre Regale und Kaminsimse voll angenehmer Erinnerungen. Auch sie sammelte jetzt Andenken, oder? Wieder war sie überrascht, so schnell in dem Teil ihres Lebens angelangt zu sein, wo man sich an alles erinnerte, als hätte sie eine ganze Zeitspanne übersprungen und ihre Sechziger versäumt.
      Sie machte Krabbendip, ein Ritual, das sie von Henrys Mutter, der Königin der Frischkäsedips, übernommen hatte, deckte ihn mit Plastikfolie ab und stellte ihn in den Kühlschrank, damit er fest wurde. Jemand hatte vergessen, die Kartoffelchips wieder luftdicht zu verschließen, und sie schmeckten wie Gummi. Sie schüttete sie in den Müllschlucker, holte eine neue Tüte heraus und legte sie aufs Hackbrett. Es gab genug Eis, genug Getränke für die Kinder.
      Es war zu heiß, um drinnen zu sitzen, und sie ging auf die Veranda hinaus, wo sie ihr Buch liegen gelassen hatte. Margaret und Arlene saßen immer noch auf der Bank, Arlene machte eine weit ausholende Armbewegung und erklärte irgendetwas. Emily dachte, eine andere Mutter würde das vielleicht als

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