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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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den braunen Angelkasten gerade schließen, als er zwischen den glänzenden Schwimmern und verpackten Leitschnüren im untersten Fach ein Zippo-Feuerzeug liegen sah. Angeblich hatte sein Vater schon einige Jahre, bevor er den neuen Kasten kaufte, das Rauchen aufgegeben, deshalb war das Feuerzeug fehl am Platz, ein Anachronismus. Ken nahm es in die Hand und drehte es um, in der Hoffnung, etwas eingraviert zu finden (ein Abschiedsgeschenk seiner Kollegen, ein Preis bei einer Verlosung), doch es war bloß gebürsteter Stahl, zerkratzt und zerkerbt vom häufigen Gebrauch. Der Docht war verkohlt, und der Feuerstein funktionierte noch, aber das Feuerzeug zündete nicht, da die Flüssigkeit schon lange verdunstet und die Watte innen drin ausgetrocknet war. In ihrer Jugend hatten Ken und seine Freunde aus Stilgründen alle Zippos gehabt, obwohl sie zum Pfeifeanzünden eigentlich nicht zu gebrauchen waren.
      Er hatte eine Drehung des Handgelenks beherrscht, bei der die Kappe aufsprang, jederzeit bereit, einem unerreichbaren Mädchen die Marlboro anzuzünden.
      Bei dem Feuerzeug lagen keine Zigaretten, und Ken konnte sich dunkel daran erinnern, wie sein Vater es einmal anstelle eines Messers benutzt hatte, um die Schnur durchzubrennen, als sie sich irgendwo verfangen hatte. Da er seine Mutter nicht aufregen wollte, würde er es zum Trost Meg schenken.
      Während er die zur Rückgabe ordentlich im Kasten aufgereihten Bierflaschen und das aus den Holzresten irgendeines vergessenen Projekts geschnittene Feuerholz fotografierte, dachte er, Meg würde ihn unterbrechen, doch als sie mit Arlene vom Lighthouse zurückkehrte, brachten sie die Tüten ins Haus und ließen den Bus mit laufendem Motor unter der Kastanie stehen.
      Lise kam schließlich nach draußen und fragte, ob er fertig sei. «Deine Mom macht schon Getue ums Abendessen.»
      «Haben sich alle geduscht?»
      Alle waren fertig, und für ihn blieb kein heißes Wasser mehr. Er stellte sich mit eingezogenem Kopf unter die Dusche, spannte die Muskeln an, und als er herauskam, schwitzte er in dem feuchten Raum. Er steckte das Feuerzeug in die Tasche seiner Shorts, eine deutlich sichtbare Wölbung.
      Meg war auf dem Rasen und half den Kindern, den Mais zu schälen. Als er vorbeiging, blickte sie auf, und diesmal war er sich sicher, dass sie etwas von ihm wollte, dass sie reden musste. Er steckte die Kohlen mit dem Grillanzünder in Brand, Lise brachte die verpackten Fleischspieße nach draußen, Rufus sprang neben ihr her und schmatzte sabbernd mit schlaffen Lefzen.
      «Jeff hat wohl angerufen», sagte Lise. «Weshalb?»
      «Ich reime mir nur alles zusammen. Anscheinend haben sie eine Weile miteinander geredet.»
      «Sie wollte doch mit Mom über das Haus sprechen.»
      «Das hast du schon gesagt», erwiderte sie geistesabwesend, und er dachte, dass die alljährlichen Melodramen seiner Familie Lise langweilten, dass sie letztlich nur nach Hause wollte.
      «Ich mach mir bloß Sorgen um sie», sagte er.
      «Das ist nett von dir.» Sie gab ihm zur Belohnung einen Kuss und entdeckte das Zippo. «Was ist das?»
      Er zeigte es ihr. «Ich dachte, es gefällt ihr vielleicht. Ich glaube, Mom würde es nicht gern sehen.»
      «Nein, bestimmt nicht.»
      Von der Veranda rief Meg: «Soll ich den Mais kochen?»
      «Nur zu.»
      Lise ging rein, um den Salat anzumachen, und ihm fiel wieder auf, dass er seinen Vater nachahmte, mit einer langen Grillgabel in der einen und einem Bier in der anderen Hand wartete. Rufus blieb bei ihm, lag zusammengekugelt auf dem Betonboden vor der Garage. Schließlich legte Ken die Fleischspieße auf den Grill, und der Rauch zog über die Garage und den Steg. Die Kinder begannen, Krocket zu spielen. Die Sonne war untergegangen, die Luft über dem See war trüb, leichter Nebel zog auf. Die Chautauqua Belle tuckerte vorbei und ließ ihre Pfeife ertönen. Die Heuschrecken schrillten.
      Er wusste, wie die Antwort seiner Mutter gelautet hatte - das stand außer Frage. Er wollte wissen, was Meg dazu meinte und wie er ihr helfen konnte.
      Ihm fiel kein einziges Beispiel ein, wo er ihr mal geholfen hatte, keine Gelegenheit, wo er ihr Geld geliehen oder sich um ihre Kinder gekümmert hatte. Dafür lebten sie zu weit auseinander. Er rief sie an, und manchmal rief sie zurück. Wenn er mit ihr telefoniert hatte, kam er sich jedes Mal machtlos vor und schämte sich, als wäre er an ihren Problemen schuld. Das stimmte nicht,

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