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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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genauso wenig, wie seine Mutter daran schuld war, aber dieses Gefühl wurde er tagelang nicht los, es verschwand erst, wenn Lise es aus ihm herauskitzelte. «Sie ist erwachsen», sagte sie dann, ganz im Gegensatz zu seiner Mutter, die sich von oben herab über Meg lustig machte: «Sie hält sich immer noch für einen Teenager.»
      Für ihn war sie beides, dazu noch seine große Schwester in der fünften Klasse, das Gesicht, das immer zwischen den Stäben seines Kinderbetts hindurchgeschaut hatte. Sie hatte ihm den Weg geebnet, oft zu Orten, vor denen er sich fürchtete, doch sie hatte immer auf seiner Seite gestanden, war immer für ihn eingetreten, selbst als die Eltern sie aufs Internat schickten. Sie hatte ihm lange Briefe geschrieben, mit Reben und Blumen drauf, verschmelzenden psychedelischen Mustern. Am Telefon hatte sie gewitzelt, dass sie zusammen weglaufen sollten.
      Der Fleischspieß am Rand brannte, Flammen züngelten durch den Grillrost. Er löschte sie mit einem Spritzer von seinem Bier, wirbelte eine Aschewolke auf und wich zurück. Er legte die Spieße wieder zurecht, lief ins Haus, um ein Messer zu holen, schnitt ein Stück an und entschied, dass das Fleisch durch genug war. Den angebrannten Spieß würde er nehmen.
      «Den willst du doch nicht essen», sagte seine Mutter in der Küche, wollte ihn nehmen, und er musste seinen Teller abschirmen.
      Meg stapelte den Mais auf einer rosa Platte vom Flohmarkt zu einer dampfenden Pyramide auf und packte ein frisches Stück Butter aus - «Keine Margarine», rühmte sie sich.
      Er wusste nicht, ob sie die Sache überkompensierte. Vielleicht dachte er als Einziger an das Haus, da morgen ihr letzter Tag war. Vielleicht lag es an Jeff.
      Sie passten kaum alle auf die Veranda. Rufus stand vor der Tür und spähte schnuppernd durchs Fliegengitter.
      «Für dich ist kein Platz», sagte seine Mutter entschuldigend. «Du musst warten.»
      Sein Fleisch war zäh. Die Jungs hatten Mühe, ihr Fleisch zu schneiden, dann schnitt Ken durch Justins Pappteller, und der Saft lief auf den Tellerhalter. «Hol einen neuen», sagte seine Mutter, und Meg ging ins Haus. Ken brachte alles rein, bemüht, den Teppich nicht voll zu tropfen.
      Meg nahm einen Pappteller vom Stapel, steckte ihn in den Halter, und Ken streifte das Fleisch drauf, die Hand für alle Fälle unter dem Teller.
      «Hey», fragte er, «hast du mit Mom gesprochen?»
      Als er fragte, merkte er überrascht, dass er trotz allem noch ein bisschen Hoffnung hatte. Wenn sie sagen würde, dass ihre Mutter es sich anders überlegt hatte, wäre er nicht geschockt.
      «Ja», sagte sie, und obwohl sie damit beschäftigt war, Justins Fleisch zu schneiden, konnte er aus ihrer Stimme mühelos alles heraushören. Er kannte diese Stimme seit Jahren vom Telefonieren. Der klanglose, desinteressierte Ton, der besagte, dass seine Mutter sich nie ändern würde, dass es dumm war, darauf zu hoffen.
      «Was hat sie gesagt?»
      «Was hat sie gesagt», wiederholte sie und schnitt weiter, ein Zeichen, dass sie nicht drüber reden wollte. «Sie hat gesagt, wir hätten es früher ansprechen sollen. Und sie hat Recht, ich kann das verstehen. Sie sagt, sie braucht das Geld, was ich nicht beurteilen kann, aber das geht in Ordnung. Wir hatten ein wirklich gutes Gespräch.»
      Er blickte zur Tür, um sicherzugehen, dass niemand kam, doch sie war fertig, bereit, wieder rauszugehen.
      «Guck mal, was ich gefunden hab», sagte er, um sie aufzuhalten, und zeigte ihr das Feuerzeug.
      «Wo hast du das her?»
      «Aus Dads Angelkasten.»
      «Schön.» Sie wollte es zurückgeben.
      «Behalt es. Ich hab keine Verwendung dafür.»
      Er wollte, dass sie sich über das Geschenk freute, dass sie so gerührt war wie er, als er es entdeckt hatte. Sie schob bloß die Kappe hoch und drehte probehalber an dem Rädchen, klappte es dann unbeeindruckt wieder zu.
      «Das könnte Arlene gefallen», sagte sie, und obwohl er es selbst gern behalten hätte, stimmte er ihr zu. Der Verlust des Hauses war durch nichts aufzuwiegen. Er konnte kaum glauben, dass er wirklich gedacht hatte, ein Feuerzeug, das nicht mal funktionierte, könnte sie trösten.
      Sie gingen wieder nach draußen und setzten sich, legten sich die Serviette auf den Schoß. Sein Fleisch war knorpelig und fade, und auf dem Teller klebten geronnene Fettspritzer. Seine Mutter erzählte gerade, wie Duchess von dem Stinktier voll gespritzt worden

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