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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Mal, dass er was gewonnen hatte.
      Er ließ Sam einen Blick draufwerfen, dann liefen sie zurück zu seiner Mutter und Onkel Ken. \
      «Zeig mal», bat seine Mutter. «Sehr schön. Soll ich sie für dich nehmen ?»
      «Ich verlier sie schon nicht.»
      Während des ganzen restlichen Spiels betastete er ständig seine Tasche und spürte das Stück Papier durch den Stoff, und als sie Eis aßen, holte er die Karte hervor und legte sie vor sich auf den Tisch. Kein anderer schaffte es mehr, mit dem ersten Schlag einzulochen, nicht mal Onkel Ken.
      Als sie nach Hause fuhren, war es draußen schon dunkel. Sarah unterhielt sich mit Ella, also war sie nicht mehr wütend. Hinten eingequetscht, hielt Justin die Karte hoch und las im Scheinwerferlicht der hinter ihnen fahrenden Autos, was draufstand. Dabei sah er, wie der Ball von der hinteren Begrenzung abprallte, sich langsam drehte und in einem Bogen aufs Loch zurollte, und er bekam wieder eine Gänsehaut und war vollkommen glücklich. Das würde er nie vergessen.
     
     
* 19
     
    Emily kam zu ihr auf den Steg, um die Sterne zu betrachten, beide in ihre Jacken gemummelt und die Kappen auf dem Kopf. Sie setzte sich neben sie auf die Bank, und Arlene sah, dass sie Henrys Scotch trank. Eine Weile sprachen beide kein Wort. Hinter ihnen lief irgendwo ein Radio. Eine Ente landete auf dem See, glitt wie mit Skiern übers Wasser.
      «Heute Abend ist es ganz ruhig», sagte Arlene.
      Emily brummte zustimmend, dann umhüllte die Stille sie wieder, nur das Schwappen des Wassers war zu hören.
      «Warum verkaufe ich eigentlich das Haus», fragte Emily, «wenn ihr alle dagegen seid?»
      Arlene sah sie an und blickte dann zu den Sternen hinauf, doch dort stand keine Antwort geschrieben. «Ich weiß nicht.»
      «Ich habe das Gefühl, ihr wollt mich als Schuldige hinstellen, das finde ich ungerecht.»
      Was ist schon gerecht, hätte Arlene am liebsten gesagt. Das ganze Leben allein zu sein ist ungerecht. Dass Henry nicht mehr lebt, ist ungerecht.
      «Es ist deine Entscheidung», sagte sie. «Das Haus gehört dir.»
      «Genau davon spreche ich doch», gab Emily zurück. «Und trotzdem nehmen es mir alle übel.»
      «Was hast du erwartet?»
      «Ich habe Hilfe erwartet. Unterstützung. Bei dieser Familie hätte ich es wohl besser wissen müssen.»
      «Ja», sagte Arlene, «wir sind böse. Wir sind hier, um dich zu quälen.»
      «Manchmal kommt es mir wirklich so vor.»
      «Hm-hmm. Weißt du was, Emily? Mir geht's genauso.»
      «Eins zu null für dich.»
      Emily stellte ihr Glas seufzend auf den Boden, lehnte sich zurück, und Arlene dachte, der ernste Teil ihres Gesprächs sei vorüber. Es erstaunte sie immer wieder, wie erfolgreich sie war, wenn sie mit den Leuten so sprach, als wären sie ihre Schüler, wie bereitwillig sie sich wie Kinder behandeln ließen.
      Schweigend saßen sie nebeneinander. Leise Musik wehte übers Wasser herüber. Die Sterne strahlten und funkelten. Der Glockenturm schlug die halbe Stunde.
     
     
* 20
     
    Sie wollten aufbleiben und Karten spielen, aber ihre Mutter schickte sie ins Bett.
      «Morgen wird ein langer Tag. Nach dem Frühstück wird als Erstes hier oben aufgeräumt. Ich will, dass ihr eure ganze Schmutzwäsche auf einen Haufen legt.»
      Normalerweise mussten sie um diese Uhrzeit noch nicht ins Bett, aber statt sich vor den anderen mit ihr zu streiten, stieg Ella hinter Sarah die Treppe rauf und bemühte sich, weder die weißen Fransen von Sarahs abgeschnittenen Jeans noch ihre straffen Kniekehlen zu beachten. Noch vor kurzem hätte sie das mit Verlangen erfüllt; aber jetzt biss sie sich auf die Lippen und richtete ihren Blick auf die Stufen. Sie hatte keine Chance und fand es grausam, dass Sarah so nah war.
      Sie wusste nicht recht. Beim Minigolf hatte Sarah Ella am Arm gefasst und geflüstert: «Hast du den Typ in den weißen Klamotten gesehen?» Sie hatte immer noch nichts von Marks Brief erzählt.
      Ella war nicht wütend auf sie, es war bloß ein Gefühl - zusätzlich zu dem Gefühl, dass sie die ganze Zeit log und nur so tat, als wäre sie Sarahs Freundin.
      Eigentlich tat sie nicht mal das.
      Oben war es so stickig, dass ihr die Luft wegblieb. Es war nichts zu machen. Der Ventilator lief schon. Während Justin und dann Sam auf die Toilette gingen, machten sie sich fertig, und Sarah zog ihr Nachthemd an, bevor sie den BH auszog. Ella wollte sowieso nicht hingucken, es war

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