Abschied von Chautauqua
versehentlich liegen lassen sollte, damit sie es nicht einpacken musste - oder ob sie es einfach mit all den lila Flusen und Trocknertüchern in den Abfalleimer werfen sollte. Sie konnte sich nicht erinnern, schon mal ein Buch weggeworfen zu haben, so etwas tat man nicht, egal, wie schlecht das Buch war. Es gab ja noch den Ramschverkauf der Bücherei.
Der Himmel war blau, die Sonne schien warm auf ihre Arme. Auf der Straße rauschte der Verkehr vorbei, die alten Leute gingen knirschend über das Gelände. Ihr blieb noch eine knappe Dreiviertelstunde, und es waren nicht mal mehr fünfzig Seiten. Heute Abend, beim Feuerwerk, war zum Lesen bestimmt keine Zeit, also senkte sie seufzend den Kopf und begann weiterzu-lesen.
* 15
Sie mussten danach suchen, und schließlich entdeckte Kenneth den kiesübersäten Deckel - der wie eine Terrassenplatte aussah - ganz hinten an der Straße. Wie hätte Emily das wissen sollen? Um so etwas hatte sich Henry gekümmert.
«Muss die nicht ausgepumpt werden, bevor sie inspiziert werden kann?», fragte Kenneth, doch es entzog sich ihrem Verständnis, warum er ihr das jetzt sagte.
«Stimmt das?»
«Vielleicht machen sie das zuerst.»
«Ich habe keinen blassen Schimmer», gestand sie. «Ich weiß bloß, dass die Käufer sie inspizieren lassen wollten. Alles andere ist ihre Sache.»
Mrs. Klinginsmith sagte, bei Sommerhäusern sei der Tank nur selten voll. Die Leute seien bloß eine Woche da, während die Bakterien das ganze Jahr über arbeiteten. Sie hätten keine Waschmaschine, deshalb sei wahrscheinlich alles okay. Wie viele Personen benutzten die Dusche? Wie oft lief die Geschirrspülmaschine? Sie hatte ein Klemmbrett dabei und notierte die Antworten mit einem Kugelschreiber, auf dem ihr Name stand.
Emily fragte, was der Kontrolleur sonst noch an der Anlage beanstanden könne, das den Käufern Angst mache.
«Sie haben doch keinen dieser alten Stahltanks?», fragte Mrs. Klinginsmith und schritt den Rasen ab, als würde sie eine weitere Öffnung suchen. «So einen auszutauschen ist ein echter Albtraum.»
Emily sah Kenneth an, doch er wusste es auch nicht.
«Die Anlage wurde bestimmt nachgerüstet», sagte Mrs. Klinginsmith.
Emily konnte sich nicht daran erinnern, dass jemand den Garten aufgegraben hatte. So ein gewaltiges Unternehmen würde sie doch nicht vergessen.
Mrs. Klinginsmith blieb stehen, betrachtete die Bäume ringsum und drückte ihr Klemmbrett an die Brust. «Soweit ich sehe, haben Sie keine Ahornbäume. Die zerstören Kläranlagen. Die Wurzeln wachsen durch die Löcher in den Rohren und verknäueln sich darin. Wenn Sie Roto-Rooter verständigen, kostet das mindestens zweihundert Dollar, und das Ganze passiert immer wieder. Am Ende müssen Sie den Baum fällen. Wie viel das kostet, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.»
Hier liege die eigentliche Schwierigkeit darin, dass der Grundwasserspiegel so hoch sei und man das Sickerfeld vom See fern halten müsse. Frostverwerfungen seien ein Problem. Die kastenförmigen Tanks könnten sich schräg stellen und die Rohre einseitig überlasten oder verschieben, und wenn der Boden sich wieder senke, könne Erde ins Sickerfeld eindringen. Emily wusste nicht genau, warum das ein Problem war. Ob das Sickerfeld denn nicht aus Erde bestehe ?
Nein, es bestehe aus rings um die Rohre ausgelegten Steinen. Der Tank selbst sei aus Beton und wasserdicht. Als der Kontrolleur kam, kritzelte er für sie ein grobes Schaubild auf einen Block. Er war schon älter, trug eine kastanienbraune Chautauqua Girls' Softball-Windjacke, die Hände gefurcht wie die von Henry. Er fuhr einen klapprigen Lieferwagen, auf dessen Dachgepäckträger eine Leiter festgebunden war, deshalb vermutete sie, dass sie den Tank nicht auspumpen würden. Er hatte eine Werkzeugkiste und eine Kontrollliste dabei, die er durchgehen musste. Er legte den Deckel frei und öffnete ihn, ging mit einer Taschenlampe auf alle viere, um hineinschauen zu können, und Emily wich wegen des Gestanks ein paar Schritte zurück. Er tauchte eine Stahlstange hinein, als würde er die Temperatur messen, notierte ein paar Zahlen und lehnte die Stange an den Zaun.
«Der Wasserstand sieht gut aus», sagte er und fragte, wo die Toiletten seien.
Kenneth führte sie durch die Küche ins Haus.
«Entschuldigen Sie die Unordnung», sagte Emily.
Der Kontrolleur kniete sich auf die Badematte, zog eine braune Flasche
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