Abschied von Chautauqua
gehabt und sie damit vergeudet, Tracy Ann Caler nachzujagen. Er dachte, dass er auch das Webb's fotografieren müsste - die Jungs, wie sie auf den riesigen Ankerflügeln vor dem Gebäude standen, den drittklassigen Souvenirladen -, doch er hatte keine Kamera dabei. Wenn sie zum Sommerhaus zurückkamen, war es schon dunkel.
Er hatte eine ganze Liste - Hogan's Hut, das True Value und die Fähre, von der Brücke aus gesehen. Er brauchte noch eine Woche, noch drei Tage. Er konnte alles an einem Tag schaffen, konnte das als zeitlichen Rahmen nehmen, um vier aufwachen und nur durch die Gegend fahren und fotografieren, die Fotos zeitlich ordnen wie in diesen schrecklichen Bildbänden. Ein Tag im Leben des Lake Chautauqua.
Er konnte sich über die Plumpheit der Idee lustig machen und dennoch das Potenzial darin sehen und fand, dass das etwas über ihn aussagte. Er war wenig originell, auch seine besten Arbeiten von anderen abgeschaut, seine schlechtesten an Unfähigkeit grenzend.
Lise bremste wegen eines abbiegenden Autos, und Ken sah eine rötlich getigerte Katze, die unter einer Hecke in Deckung ging, einen Basketball auf dem Rasen. Das Licht lag weich auf dem Gras, brachte unter den Bäumen Staubkörnchen, fliegende Insekten und schwebende Samen zum Vorschein - hübsche Klischees. Er konnte sie sich auf Hallmark-Karten oder Postern mit inspirierenden Sinnsprüchen vorstellen. Vielleicht war das seine Berufung.
Hinten sagte Ella: «Hör auf!»
«Hör auf», äffte Sam sie nach.
«Mo-om!»
«Hört auf, alle beide», sagte er zu heftig, weil sie ihn aus seinen Gedanken gerissen hatten, und Ella war stocksauer auf ihn.
Er wollte bloß das Abendessen hinter sich bringen, sich das Feuerwerk anschauen und schlafen gehen, doch das war anscheinend zu viel verlangt. Und dann fing er sich wieder oder gab auf und schaltete in den Modus, wo nichts ihn berührte, lehnte sich zurück, beobachtete, wie die Welt draußen vorbeiflog, und registrierte alles wie ein offenes Objektiv.
Er sah einen Stärling in einem Maulbeerbaum sitzen, der Zweig, auf dem er saß und fraß, schwang hin und her.
Er sah einen Ballon, der an einem rot gestrichenen Briefkasten festgebunden war.
Er sah ein Haus, zur Hälfte mit Tyvek verschalt, an dessen Fundament überall Rosen wuchsen.
Er sah Trolle in einem Steingarten.
Er sah einen Holzstapel zwischen zwei Bäumen.
Er sah ein gelangweiltes Mädchen, das Mais verkaufte.
Er sah einen Spatzen, der eine Krähe ärgerte.
Er sah eine Inderin in kürbisgelbem Sari, die einen Kinderwagen von einem Root Beer-Stand wegschob, hinter ihr ein geparkter uralter Lieferwagen.
So was passierte immer, wenn er keine Kamera dabeihatte.
* 18
«Hoffentlich kommt Rufus allein zurecht», wiederholte Emily schon zum dritten Mal, und Lise griff unterm Tisch nach Kens Schenkel.
Er bedeckte ihre Hand und hielt sie fest. Sie und Emily saßen sich direkt gegenüber, ein Fehler, den Lise sofort erkannte, aber nicht beheben konnte. Die Kinder wollten zusammensitzen, sodass die Erwachsenen alle an einem Ende des Tisches versammelt waren. Auf ihrer einen Seite saß Sam, damit sie ihn im Auge behalten konnte, und auf der anderen Ken. Sie schnappte ein paar Wörter vom Gespräch der Kinder und ein paar von dem der Erwachsenen auf, ohne an einem davon beteiligt zu sein, was sie noch ermüdender fand, als Konversation zu machen.
«Zu Hause lässt du ihn doch auch allein, oder nicht?», fragte Meg - dieselbe Frage hatte auch Lise stellen wollen.
«Das ist unterschiedlich. Ich weiß, dass ich mir keine Sorgen machen sollte, aber er ist schon alt. Eines Tages werde ich heimkommen und ... ihr wisst schon.»
Aber er war auch klargekommen, als sie ihn neulich den ganzen Tag allein gelassen hatten.
Emily erklärte nie irgendwas. Sie war schon bei einer Geschichte über Duchess, die Lise nur von Fotos kannte.
«Wenn sie krank war, hab ich das gleich gemerkt, weil sie sich anders benahm als sonst. Weißt du noch? Dann hat sie Kenneth angeknurrt, obwohl er immer gut zu ihr war. Und kurz vorher war sie noch der bravste Hund gewesen, aber so ist das nun mal. Man kann verstehen, warum.»
Alle pflichteten ihr bei, wenigstens widersprach niemand. Lise begriff nicht, worauf Emily hinauswollte, falls sie überhaupt einen Zweck verfolgte. Anscheinend kreisten ihre Gespräche zunehmend um Krankheit und Tod, obwohl sie, soweit Lise
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